Bewegende Geschichten: Ein Bericht vom EC-Treffen beim Festival „Cradle of Creativity“ in Südafrika

von Julia Dina Heße


„We don’t make theatre to entertain, but to entertain ideas.“
Lalu Mokuku, ASSITEJ Südafrika und Vorstand ASSITEJ International

Aus den EC-Meetings:
Das EC bei seinen täglichen Sitzungen im Market Theatre
Foto: EC / Cradle of Creativity

Jeder Tag begann mit einer mehrstündigen Sitzung des EC (Executive Committee, das ist der gewählte Vorstand der internationalen ASSITEJ) im Market Theatre in Johannesburg. Zusammen mit Cristina Cazzola (Italien), Minoovash Rahimian (Iran) und Jon Dafydd-Kidd (Wales) arbeite ich als networking group“ am regelmäßigen Austausch zwischen den über 70 nationalen Zentren und den 5 professionellen internationalen Netzwerken der ASSITEJ. In Johannesburg haben wir neben den kommenden digitalen „Umbrella Sessions“ auch die Formate des Artistic Encounters in Serbien geplant, also die Begegnungsveranstaltungen für die internationalen Künstler*innen während des Artistic Gatherings im November 2023. In Serbien werden sich hier u.a. fünf Forschungsprojekte vorstellen, wovon eines z.B. zum Begriff des „Leadership“ im Theater für junge Menschen recherchiert.

Außerdem hatten wir mit unserer Weltpräsidentin Sue Giles, dem Geschäftsführer der ASSITEJ, Louis Valente und meiner EC-Kollegin Emilie Robert (Frankreich) ein Zoom-Meeting mit Caro Overy von Creative Carbon Scotland, die uns im Rahmen des SHIFT-Projekts bei unserem Prozess zu einem nachhaltigen internationalen Kulturnetzwerk betreut und mit der wir über Fragen zur geeigneten Messungsmethode unserer Reiseemissionen sowie zu globaler Reise-Gerechtigkeit gesprochen haben.
Und last but not least: Wir durften in Johannesburg Mosambik mit einem neuen nationalen Zentrum als Mitglied der ASSITEJ aufnehmen.

Aus dem Festival:

Unter dem Motto „Stories that move us“ fand vom 20. bis 27. August das Festival „Cradle of Creativity“ der ASSITEJ Südafrika in Johannesburg statt. Der internationale Vorstand war zu diesem Festival eingeladen und so durfte ich nach unseren Sitzungen Veranstaltungen und Vorstellungen des Festivals miterleben. So Vieles hat mich bewegt und beschäftigt mich noch jetzt…

…die künstlerische Leistung
Viele starke Produktionen aus Südafrika waren zu sehen. Hier die preisgekrönte Inszenierung „Whistleblowers“ von Verity Productions.
Foto: EC / Cradle of Creativity

30 Produktionen aus Südafrika, Ruanda, Mexico, Argentinien, der Schweiz, Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, Südafrika, Belgien und Burkina Faso versammelte das Programm und obwohl ich nicht alle von ihnen besuchen konnte, war fast alles, was ich sehen konnte von einer beeindruckenden Qualität. Die meisten Produktionen aus Südafrika haben ein sehr starkes Anliegen, das sich in der Inszenierung in einer Dringlichkeit und Energie spüren lässt, die sich sofort auf den Publikumsraum überträgt.

…der Mut

Einige Produktionen verhandelten schwierige Themen wie Alkoholmissbrauch, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und Selbstmord. Yvette Hardie und Kuratorin Faye Kabali-Kagwa hatten den Mut, durch ihre Auswahl zu provozieren und kontroverse Diskussionen zuzulassen.

…der Blick über den eigenen Tellerrand

Ausgehend von den Produktionen, die das Herz des Festivals bildeten, entfaltete sich ein Rahmenprogramm aus Konferenzen und Workshops, welche die Themen, Fragen und Methoden der gezeigten Inszenierungen in einen größeren Kontext des internationalen Kinder- und Jugendtheaters hoben und hier Wissen und Erfahrungen der Redner*innen und Workshopleiter*innen und der anwesenden Kolleg*innen zum Austausch und in Reibung brachten. Dabei gelang es auch den Sinn für die internationale Gemeinschaft der ASSITEJ zu stärken und Verbindungen zwischen einzelnen Produktionen und Projekten mit der Arbeit und den Netzwerken der ASSITEJ International – IIAN (International Inclusive Arts Network), WLPG (Write Local Play Global), Small Size (Network for Early Years Professionals) sowie Young Dance – herzustellen: Der erste Festivaltag legte so z.B. den Fokus auf Zugänge und Inklusion im Theater sowie das Abbauen sämtlicher Barrieren, welche nach wie vor bewusst oder unbewusst aufrecht erhalten werden. Am dritten Tag wurde eine neue Publikation zur Arbeit im Theater für die Allerjüngsten im Rahmen des EU-geförderten Projekts „Mapping“ vorgestellt, die als Open Source zugänglich ist. Aus Deutschland waren Marietheres Jesse und Simone Ehlen von CHICKS* zu Gast und leiteten den Workshop „Sexual Education and theatre for Teens“ über die Frage, mit welchen performativen Strategien in den Darstellenden Künsten für junges Publikum über Sexualität unter einer queeren und feministischen Perspektive gearbeitet werden kann.
Zugleich standen immer wieder (Post-)Kolonialismus und die Stärkung der eigenen, afrikanischen Kultur, Tradition und Stimme im Mittelpunkt von Veranstaltungen und Vorstellungen. Gerne hätte ich noch mehr über die Arbeit von Ncumisa Ndimeno und Hayleigh Evand und ihr Projekt „Updating the Syllabus for the Woke through theatre“ erfahren. Als jemand, die zum ersten Mal bei einem afrikanischen Festival zu Gast war, fiel mir auf, dass viele Produktionen eine Mehrzahl an Sprachen auf der Bühne nutzen und bekannte folkloristische Stoffe und Gesänge Eingang in die Stücke finden und sich so mit neuen Geschichten und Kontexten verbinden.

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