von Katharina Mayrhofer
Das 2. Südwind-Festival fand dieses Jahr vom 5. bis 11. Juli an der Schauburg in München unter dem Motto „Next Steps“ statt. Im Rahmen einer ASSITEJ-Werkstatt wurde das innovative digitale Theatererlebnis-Tool „Treff.“ vorgestellt. Die Leitung der ASSITEJ-Werkstatt übernahm das interdisziplinäre Entwickler*innenteam: Katharina Mayrhofer (Regisseurin und Projektleitung des digitalen Vermittlungsprogramms der Schauburg), Johannes Killinger (Programmierer bei der Agentur Masterkitchen) und Jochen Massar (Beleuchtungsmeister und an der Schauburg ebenso für Video- und Netzwerktechnik zuständig).
Das Team stellte den Teilnehmer*innen aus den Bereichen Vermittlung, Dramaturgie, Regie und Technik das Tool „Treff.“ vor: Dieses Tool kombiniert interaktive Funktionen eines Konferenztools mit einem fokussierten Streaming-Erlebnis und bietet viele weitere theaterbezogene Features. Gegenüber den herkömmlichen Konferenztools hat der „Treff.“ drei entscheidende Vorteile:
Das Tool erweitert das herkömmliche Teilnehmer*innen-Host-Modell um spezifische Rollen wie Zuschauende, Darstellende, Workshopleitung, Technik und Vorstellungsdienst. Jede Rolle hat unterschiedliche Darstellungen im Raum und spezifische Funktionen und Berechtigungen. Auf diese Art ist eine Interaktion möglich, allerdings kann das Maß der Interaktion zentral gesteuert werden, weil zum Beispiel der Techniker die Berechtigung hat, gewisse Funktionen und Möglichkeiten der Zuschauenden an- und auszuschalten. Auch eine Fokusführung ist durch die Einteilung der Teilnehmer*innen-Fenster in Darstellende und Zuschauende möglich.
Die Tool-Oberfläche kann je nach Bedarf zentral von der Technik oder der Workshopleitung flexibel gesteuert werden, z.B. kann zwischen verschiedenen Ansichten während einer Inszenierung oder eines Workshops hin- und hergeschaltet werden, um neue Situationen oder Szenen zu markieren. Funktionen, die den Zuschauenden zur Verfügung stehen, wie Mikrofonsteuerung oder interaktive Elemente (bspw. Emoji-Reaktionen), können von Technik und Workshopleitung punktuell aktiviert oder deaktiviert werden.
„Treff.“ kann nahtlos in bestehende Veranstaltungstechnik und Workflows integriert werden, da es OSC-Protokolle unterstützt. OSC-Protokolle sind stark vereinfacht die Sprache, über die Mischpulte beispielsweise Scheinwerfer ansteuern. Wie auch Licht-Shows können also auch „Treff.“-Shows als Teil einer Inszenierung programmiert und während der Vorstellung gefahren werden. Das verspricht eine Wiederholbarkeit, das Fahren von Veränderungen auf verabredete Stichworte, die Programmierung von Follow-Veränderungen mit einer bestimmten Wartezeit, wie es auch in analogen Inszenierungen verwendet wird.
Die ASSITEJ-Werkstatt demonstrierte die Vielseitigkeit des „Treff.“ auch in verschiedenen Set-Ups, die zum Teil für Inszenierungen der Schauburg entwickelt wurden:
„Tatort Schauburg“ ist ein interaktives Krimi-Set-Up, bei dem Zuschauer*innen einen Kriminalfall backstage lösen können. Es bietet Live-Interaktion, Abstimmungen und Videoeinspielungen. Dieses flexible Set-Up eignet sich besonders für interaktive Performances und Experimente.
So entstanden aus den Teilnehmenden der ASSITEJ-Werkstatt heraus Ideen für die Umsetzung unterschiedlicher Formate im öffentlichen Raum. „Erik*a“ bietet ein komplexes Set-Up für eine Theateraufführung vor Ort und online. Es umfasst mehrere Kameras, interaktive Elemente für das digitale Publikum und eine optimierte Tonqualität. Dieses Set-Up ermöglicht es, die Features des „Treff.“ als Mittel eines großen theatralen Gesamtwerkes zu nutzen und erfordert aufgrund seiner Komplexität technisches Fachpersonal, das die Steuerung in seine anderen Workflows einarbeitet. Denkbar sind hier aufwändige digitale Inszenierungen mit unterschiedlichen Locations, Kamera- und Schnitttechniken mit filmischer Qualität verbunden mit der empathischen Feedbackschleife eines Live-Erlebnisses oder auch die Verwendung von virtuellen Hintergründen, Greenscreen-Technik oder auch CGI in Verbindungen mit analogem Spiel.
Für Workshops ist ein flexibles Set-Up mit Funktionen wie Emojis, Abstimmungen, Whiteboards und Chats, möglich — ideal für Vermittlungsprojekte und Bildung. Dieses Set-Up bietet auch Barrierefreiheitsfunktionen, wie die Möglichkeit zur Gebärdensprach-Verdolmetschung und Live-Untertitelung. Der „Treff.“ ermöglicht es Vermittler*innen, sich digital in Klassenzimmer zu schalten und theaterpädagogische Projekte mit Kindern und Jugendlichen durchzuführen.
Die Teilnehmenden der Werkstatt entwickelten bereits erste Ideen für digitale Vermittlungsformate, darunter digitale Probenbesuche und internationale Projekte mit Kindern und Jugendlichen.
Zukünftig wird das Tool anderen Kulturinstitutionen ab Winter 2023 kostenfrei zur Verfügung stehen und an deren Bedürfnisse angepasst werden können. Insgesamt ist „Treff.“ wegweisend für die digitale Theatererfahrung und erweitert die Möglichkeiten für Interaktion, digitales Storytelling und Theatervermittlung erheblich.


