Anna Eitzeroth (Geschäftsführung ASSITEJ e.V.) und Stefanie Fischer (Projektleitung NEUSTART KULTUR – Junges Publikum) im Gespräch über die Publikation ixypsilonzett. Theater für junges Publikum | Magazin 2023: „Wie macht Ihr das?! Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland“.
Theater für Junges Publikum unterscheidet sich in wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten wesentlich vom Theater für allgemeines Publikum: das Ziel, möglichst vielen Kindern und Jugendlichen Zugänge zu Theater zu ermöglichen resultiert in einer niedrigschwelligen Preispolitik, was zu deutlich niedrigeren Einnahmen führt als im Abendspielplan. Auf der organisatorischen Ebene ist die Zusammenarbeit und Ausrichtung auf Bildungseinrichtungen wie Kitas, Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen essenziell. Diese war insbesondere in der COVID-19-Pandemie deutlich erschwert und musste in der Vorbereitung des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum von der ASSITEJ und den Mitarbeiter*innen der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien berücksichtigt werden.
Im März 2024 erscheinen nun die Auswertungsstudien zum Förderprogramm im Sammelband Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017 -2022. Unter dem Titel „Wie macht Ihr das?! Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland“ werden die Studienergebnisse erstmalig im Oktoberheft des Fachmagazins ixypsilonzett. Theater für junges Publikum (Verlag Theater der Zeit) vorgestellt und diskutiert.
Was erwartet die Leser*innen des Sammelbandes und des Fachmagazins ixypsilonzett „Wie macht Ihr das?!“?
Anna: Die Leser*innen erwarten Auswertungen der Datenerhebung sowie fachlich-diskursive Beiträge, die die Studien diskutieren und von verschiedenen Seiten beleuchten. Zitate aus den qualitativen Interviews machen die Situation der Theater noch greifbarer. Die Studie ist für verschiedene Leser*innen interessant: Politisch Verantwortliche erfahren, wie viel Freie Kinder und Jugendtheater leisten und unter welchen Bedingungen sie arbeiten; Freie Theaterschaffende können anhand der Zahlen eine Standortbestimmung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation machen; Gastspiel-Orte erhalten Einblicke dazu, was mit dem Geld, das sie für ein Gastspiel ausgeben, passiert. Kulturpolitische Akteur*innen können und sollten die Daten nutzen, um sich für eine Verbesserung der Kulturellen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen und für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage derer, die für sie Theater machen, einzusetzen.
Wer hat bei der Entstehung der Publikation „Wie macht Ihr das?!“ mitgewirkt?
Stefanie: An den Auswertungsstudien zum Förderprogramm haben sehr viele Meschen mitgewirkt: Der ASSITEJ-Vorstand – in Person von Jutta M. Staerk und Brigitte Dethier, die ASSITEJ-Geschäftsführung – vertreten durch Anna Eitzeroth und Meike Fechner (ehemalige GF) sowie alle Mitarbeiter*innen der ASSITEJ. Zum Autor*innen-Team der Publikation „Wie macht Ihr das?!“ gehören Geza Adasz, Valerie Eichmann, Skadi Konietzka, Kai Liczewski, Prof. Dr. Wolfgang Schneider und ich. Das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik führte die qualitative Interviewbefragung durch. Bei der Daten-Einpflege unterstützten uns die studentischen Mitarbeiterinnen Aylin Mengi und Milena Reinicke. Ein Fachbeirat hat uns über die letzten anderthalb Jahre als fachlich kritischer Gesprächspartner begleitet. Zum Fachbeirat gehören Mirrianne Mahn, Gabriela Mayungu, Helge-Björn Meyer, Dr. Thomas Renz, Dr. Aron Weigl, Skadi Konietzka und Prof. Dr. Wolfgang Schneider.
Welche Erkenntnisse haben Euch überrascht?
Stefanie: Überraschend fand ich die dünne Datenlage, die es zu den Freien Kinder- und Jugendtheatern gibt. Ernüchtert hat mich, wie sehr das Freie Kinder- und Jugendtheater auf dem unentgeltlichen Engagement der Künstler*innen und Theaterleiter*innen aufbaut, ohne deren unbezahlte Arbeit die enorm hohen Vorstellungszahlen (rund 21 000 im der Spielzeit 2017/18) nie erreicht werden könnten.
Anna: Ich fand es beeindruckend, wie viel die Freien Kinder- und Jugendtheater leisten. Mir war zwar klar, dass freie Kinder- und Jugendtheater sehr viele Aufführungen machen und oft weit fahren, um Theater in Schulen, Kitas und anderen Gastspielorte zu bringen, aber die konkreten Zahlen haben meine Erwartungen übertroffen.
In welchen Handlungsfeldern seht Ihr den größten Unterstützungsbedarf für die freien Kinder- und Jugendtheater?
Anna: Freie Kinder und Jugendtheater brauchen eine Förderung, die z.B. die umtriebige Gastspieltätigkeit, die Kooperation mit Bildungseinrichtungen und die Notwendigkeit der niedrigen Eintrittspreise besonders berücksichtigt. Eine Förderung, die anerkennt, dass wir Freie Kinder- und Jugendtheater brauchen. Eine Förderung, die sich das Ziel setzt, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance erhalten, Theater zu erleben und für sich zu entdecken – unabhängig davon, wo und unter welchen Bedingungen sie aufwachsen. Eine Förderung, die Mindestgagen berücksichtigt und nicht auf die Selbstausbeutung der Künstler*innen setzt.
Stefanie: Es muss das Verständnis auf Seiten der Politik und auch bei den Theaterakteuer*innen wachsen, dass Theater Hand in Hand mit Verwaltung und Betriebswirtschaft geht. Neben dem künstlerischen Schaffen müssen auch administrative Tätigkeiten – gerade in Förderprojekten – kalkuliert und vergütet werden. Es sollte vereinfacht und normalisiert werden, Verwaltungspauschalen in Förderungen zu integrieren und abzurechnen. Im Magazin haben wir sechs zentrale Punkte definiert, die in der näheren Zukunft angegangen werden sollten. So beispielsweise auch der Ausbau von Mehrjahresförderungen und eine intensivere Zusammenarbeit der politischen Ressorts Familie, Kultur und Bildung.
Weitere Informationen:
– Auswertungsstudien zum Förderprogramm NEUSTART KULTUR – Junges Publikum
– Zur Bestellung von „Wie macht Ihr das?! Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland“
