Let’s mix together! Theater der Zukunft gemeinsam gestalten | #1 À la carte: Kinder- und Jugendtheater Speyer

Im Rahmen des Fördermoduls „Next Generation und Theater der Zukunft“ bei NEUSTART KULTUR – Junges Publikum beschäftigten sich verschiedene Theater mit Fragen rund um das Thema Generationen. Die Textreihe Let’s mix together! Theater der Zukunft gemeinsam gestalten vereint die Impulse der Künstler*innen mit theatralen Rezepten und lädt zu praktischen und unpraktischen Anleitungen für eine gelungene generationen-übergreifende Theaterarbeit und einen Generationenwechsel im Kinder- und Jugendtheater ein. Zu Rezepten verarbeitet von Marina Merryweather, Swetlana Gorich und Judith Rohrbeck.


 „Next Generation und Theater der Zukunft – Zutaten für einen gelungenen Generationenwechsel“

Seit 10 Jahren arbeitet das Kinder- und Jugendtheater Speyer am Generationenwechsel. Das Theater bildet Theaternachwuchs aus und begeistert junge Menschen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „CHATS“ für Berufe am Theater. „CHATS“ steht für CHange-Management im Alten StadTsaal Speyer. Im Rahmen der Reihe werden die Jugendlichen durch Fortbildungsangebote in ihren Interessen und ihrer beruflichen Orientierung unterstützt. Sie probieren sich in unterschiedlichen Bereichen aus und wirken in unterschiedlichsten Rollen bei neuen Produktionen mit. Mit „CHATS“ öffnet das Theater jungen Menschen aus Speyer Wege ins Theater, so dass die nächste Generation von Theaterschaffenden heranwächst. Theater der Zukunft als Ausbildungsbetrieb denken? Wie gelingt die Zusammenarbeit in einem solchen Theater? Wofür begeistern sich die unterschiedlichen Generationen? Wie unterstützen sie sich gegenseitig?
Im Folgenden finden Sie das Rezept mit erlesenen Eindrücken von Nicole Schneider (NS) und Isabelle Sturm (IS).

1. Erst Lernstrukturen aufbauen, in denen man verschiedene Theateraufgaben lernen kann.

      „Unsere junge Mitarbeiterin Marie Lischer kam 2015 mit 19 Jahren als FSJlerin Kultur in unser Team. Ihr FSJ hat sie um 6 Monate verlängert und hat somit in ausnahmslos allen Bereichen mitgearbeitet und reingeschnuppert. Nach dem FSJ begann sie eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau (erst bei einem anderen Ausbilder, das letzte Jahr wurde sie im Kinder- und Jugendtheater ausgebildet). Wir haben Marie, dank des neuen Stellenplanes, 2018 übernommen. Zwischenzeitlich hat sie ihre Fachwirtin gemacht und ist auf dem Weg zur Betriebswirtin. Marie ist so gut organisiert, dass sie uns im Büro den Rücken freihält. Matthias Folz, der Intendant, kann sich dadurch der Kunst widmen und muss nur noch halb so viel im Büro arbeiten. Auch ich kann mich intensiver um Projekte (Anträge), Drucksachen, Netzwerk und Werkstatt kümmern. Zu dritt sind wir ein super Team, wir gehen davon aus und hoffen, dass Marie bei uns bleibt und sich früher oder später um den Finanzapparat kümmert.“ (NS)

      2. Dann die Lernstrukturen innerhalb der relevanten Netzwerke festigen.

      „Der enge Kontakt zu einigen Speyerer Schulen hat uns sehr geholfen. Mit gutem Netzwerk, verlässlichen Kooperationspartnern, Verbänden, Unterstützern und Sponsoren gelingt uns der Generationswechsel. Unsere engste Kooperationspartnerin ist die stellvertretende Schulleitung der Integrierten Gesamtschule Georg Friedrich Kolb in Speyer. Sie weckt Interessen bei den Schülern und im Kollegium. Ein großes Dankeschön an die Eltern, welche unsere Teilnehmer*innen über die Maßen unterstützt haben. Der Zeitaufwand war gigantisch und die Proben waren sehr anstrengend. Der letztendliche Erfolg hat entschädigt. Ob privat, Kita oder Schule, immer wieder Werbung für unser Theater zu machen, Sponsoren und Fördermitglieder zu gewinnen und Partnerschaften zu pflegen, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Netzwerkarbeit. Wir müssen raus, Kontakte knüpfen, junge interessierte Menschen mit professionellen Künstlern zusammenbringen, Wünsche und Träume wecken.“ (NS)

      3. Viele Bereiche zum Ausprobieren beim Verfahren sichern, damit man viel vom Theater kosten kann.

      „Durch Einblicke in die Arbeit hinter den Kulissen des Kinder- und Jugendtheaters Speyer konnte ich als Teilnehmerin und CHATS-Mitglied viel über den allgemeinen Theaterbetrieb, die Organisation und Umsetzung von Projekten lernen und begreifen. Was für eine Arbeit dahintersteckt, uns diese Erfahrungen zu ermöglichen! Ich habe gemerkt, wie spannend es ist, in verschiedene Bereiche hineinzuschnuppern. Angefangen hat es bei mir auf der Bühne und als unser Projekt zu Ende war, habe ich angefangen, ein bisschen im Büro zu helfen, selbst eine eigene Jugendgruppe co- zu leiten, ein kurzes Praktikum in der Technik zu absolvieren und jetzt sogar mit Unterstützung des Theaters meinen eigenen Kurzfilm zu drehen. Ich habe in den letzten 3 Jahren durch unser Theater so viele Berufe bzw. Berufsfelder ausprobieren können und gemerkt, wie spannend und abwechslungsreich das Arbeiten am Theater sein kann.“ (IS)

      4. Dann die Möglichkeiten, voneinander zu lernen, hinzufügen.

      „Unser erstes großes Projekt war ja im Prinzip der Inbegriff von generationsübergreifend. Wir, Kinder der 2000er Jahre, sollten das Feeling der 80er auf die Bühne bringen. Sich da hineinzufinden, war am Anfang gar nicht so einfach. Die erste Aufgabe unserer Coaches und Leiter war es also, uns das Gefühl ihrer Jugend zu vermitteln. Diese Phase hatte auch das Ziel, dass die Coaches uns kennenlernen, um unsere Stärken ohne Druck oder Casting-Situation über einen längeren Zeitraum herauszufinden, um dann möglichst passend die Rollen zu verteilen. Daraufhin ging es über in die aktive Probenphase, in der wir weiterhin viel Zeit auf und hinter der Bühne verbringen konnten und unser Stück in etlichen Schauspiel – und Gesangsproben nach und nach Form annahm. Ich denke, das Wichtigste, was man bei generationsübergreifender Zusammenarbeit lernen kann, ist, dass man niemals aufhören darf, voneinander zu lernen.“ (IS)

      5. Vertrauen und Offenheit dazugeben und unter die Mischung heben.

      „Es ist superwichtig zuzuhören und auch manchmal Kompromisse zu machen, besonders wenn man mit verschiedenen Generationen arbeitet, da jede Generation anders an Themen herangeht und auch andere Dinge wichtig findet.“ (IS)

      „Um unseren Generationswechsel einzuläuten ist die Grundvoraussetzung: VERTRAUEN. Dieses kommt nicht von heute auf morgen, sondern bahnt sich über lange Zeit an. Wenn das Vertrauen vorhanden ist, können wir gut abgeben und an unserem Erfahrungsschatz teilhaben lassen. Wir stärken und fördern sehr gerne, wenn es passt!“ (NS)

      6. Zum Schluss Freude auf die Arbeit streuen – man braucht Spaß für ein gelungenes Verfahren.

      „Ein entspanntes Umfeld mit viel Spaß und Freude ist das A und O, denn ein Generationswechsel funktioniert langfristig nur dann, wenn alle beteiligten Generationen das, was sie tun, lieben, sich gegenseitig mit Respekt begegnen und nie aufhören, voneinander zu lernen.“ (IS)

      „Der Alte Stadtsaal Speyer ist gefühlt ein geschützter Raum. Ausprobieren, Stärken und Talent entdecken, gefördert werden, Gleichgesinnte treffen, Freunde finden, Üben, und jede Menge Spaß im Theater haben.“ (NS)

      WICHTIGER HINWEIS – kein Gelingen ohne gute Fördermöglichkeiten, besonders das Rettungs- und Zukunftsprogramm von NEUSTART KULTUR!

      „Unterstützt werden wir von unserem fantastischen Förderverein. Das Förderprogramm NEUSTART KULTUR war ein Segen. Neben Investitionen konnten wir große und kleine Projekte realisieren. Die meisten Ideen für diese Projekte standen schon lange im Raum, jedoch waren sie zuvor finanziell nicht realisierbar. Wir haben durch die Förderung in kurzer Zeit mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung aus Berlin bekommen als in 30 Jahren zuvor in Rheinland-Pfalz. Wir haben während der Corona-Pandemie viel zu viel Arbeit gehabt, konnten so aber auch unser Ensemble und unsere freien Mitarbeiter weiter beschäftigen. Das war wichtig, richtig und gut.“ (NS)


      Nicole Schneider ist seit 1992 mit viel Herzblut beim Kinder- und Jugendtheater beschäftigt. Als stellvertretende Vorsitzende arbeitet sie hinter den Kulissen, organisiert mit dem Team den Spielbetrieb, sie initiiert und leitet Projekte und ist für die Ausstattung verantwortlich. Sie ist der „Theaterjugend“ stets nah und durfte bereits unzählige junge Menschen auf ihrem Weg begleiten. Von Haus aus ist sie Schneiderin und somit ist Name nicht selten Programm.

      Isabelle Sturm ist eine der Absolvent*innen, die an diesem Projekt teilgenommen hat. Sie hat erst vor 2 Jahren durch das Kinder- und Jugendtheater Speyer ihren Weg auf die Bühne gefunden. Durch die Unterstützung des Theaters bekam sie dann die Möglichkeit, auch selbst kleinere Projekte umzusetzen. Im Anschluss hat sie sich für das Studium der Medienkonzeption und -produktion entschieden, um hinter Bühne und Kamera arbeiten zu können.

      NEUSTART KULTUR war ein Rettungs- und Hilfsprogramm zur Abfederung der Auswirkungen der COVID-19 Pandemie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Der Programmbaustein NEUSTART KULTUR – Junges Publikum wurde von ASSITEJ e.V. umgesetzt.

      Zeichnungen: Johanna Benz, graphicrecording.cool

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