Im Rahmen des Fördermoduls „Next Generation und Theater der Zukunft“ bei NEUSTART KULTUR – Junges Publikum beschäftigten sich verschiedene Theater mit Fragen rund um das Thema Generationen. Die Textreihe Let’s mix together! Theater der Zukunft gemeinsam gestalten vereint die Impulse der Künstler*innen mit theatralen Rezepten und lädt zu praktischen und unpraktischen Anleitungen für eine gelungene generationen-übergreifende Theaterarbeit und einen Generationenwechsel im Kinder- und Jugendtheater ein. Zu Rezepten verarbeitet von Marina Merryweather, Swetlana Gorich und Judith Rohrbeck.
„Das Theater der Zukunft ist ein sich erneuerndes Theater“
Florian Rzepkowski leitet seit 2018 das Figurentheater Osnabrück (seit 2020 zusammen mit Rona Ludin) und ist seitdem mit dem Generations- und auch Perspektivwechsel zur Stabilisierung und Erhalt des Theaters in der Zukunft beschäftigt. Wie kann Begegnung und intergenerationeller Austausch Heute und auch in Zukunft stattfinden? Wieviel ‚Vermächtnis‘ wird weitergegeben? Wie weit werden die Fenster geöffnet, um frischen Wind hereinzulassen? Eine Anleitung zwischen Wunsch und Wirklichkeit aus dem Osnabrücker Figurentheater.
1. Neue Zutaten treffen auf alte Arbeitsweisen: Die Experimentierfreude entscheidet über die richtige Konsistenz
Das Figurentheater Osnabrück setzt sich seit 2018 intensiv mit dem Thema ‚Generationenwechsel‘ auseinander. In dem Jahr übergab der tragende Verein die Theaterleitung nach 30 Jahren einer neuen Generation. Diese neue Leitung sollte zusammen mit dem Verein ein zukunftsfähiges Konzept für das Figurentheater in Osnabrück erarbeiten. Mit Beginn dieses Prozesses wurde deutlich, wie schwierig sich dieser gestalten wird. Der ‚Weg der Zukunft‘ war und ist ein harter und anstrengender Prozess für alle Beteiligten. Speziell in Fragen, was ‚Figurentheater‘ bedeute, lief nicht immer alles organisch. Gerade hier war und ist das Problem der unterschiedlichen Generationen sehr dominant. Aber, da waren sich sowohl Verein als auch Geschäftsleitung einig, es braucht neue und professionelle Künstler*innen, die dieses Haus bespielen. Schon allein um den Spielplan aufrecht erhalten zu können. Aber auch, weil das Publikum sich verändert. Und diesen Umstand hinsichtlich Interessen, Art der Wahrnehmung und/oder Lebensrealitäten wollten wir auffangen. Nur der Weg dahin wurde retrospektiv betrachtet nie schlüssig für die jeweils andere Generation formuliert.
2021 veranstaltete das Figurentheater Osnabrück zusammen mit dem Figurentheater-Kolleg Bochum das Lab „Die Generationen“ (Teil der bundesweiten „artist labs“ des Fonds Darstellende Künste). Der Fokus lag hierbei auch auf den Herausforderungen einer etablierten Institution oder Künstler*in bei dem Zulassen neuer Formate, Formen und Denkweisen. Ein Wunsch bei der Antragsstellung zum Modul C (SUPPORT) bei NEUSTART KULTUR- Junges Publikum war, die gewonnenen Erkenntnisse aus dem artist lab in der intergenerationellen Zusammenarbeit zu erproben.
2. Eine Prise Mut für neue digitale Technologien runden den Geschmack ab
Rückblickend waren die Recherchen zu FLUTEN in und an unserem Haus eine große Herausforderung für die damit verbundenen Personen. Vor allem die Formen der Auseinandersetzung zum Thema ‚Wattenmeer‘ waren für das Figurentheater Osnabrück absolut neu. Insbesondere der Umgang mit den digitalen Technologien wie Mapping, KI und Lasersensoren für adaptive Projektionen sind hier bisher nicht erprobt worden. Am Ende war es ein Prozess einer jungen Gruppe, die für sehr junge Menschen ein faszinierendes Erlebnis geschaffen hatte. Aber die ältere Gruppe konnte sich darauf nicht einlassen. Alles war zu weit von deren künstlerischem Verständnis von Theater und Figurentheaterkunst entfernt. Dennoch war eine Gruppe, welche vor vielen Jahren einmal Mitglied dieses Hauses und des Vereins war, innerhalb der Projektzeit hier am Haus zu Gast. Sie lieferten kritischen Input, Interesse für die Sache und beteiligten sich an den Probendurchläufen. Dadurch, dass diese Gruppe sich bereits in der Vergangenheit vom Figurentheater Osnabrück gelöst hatte, war es einfacher, hier einen Gedankenaustausch zwischen den Generationen zu ermöglichen. Damit konnte die Produktion auf Erfahrungen und Erkenntnisse zurückgreifen und gleichzeitig auch Input liefern über neue Möglichkeiten und Herangehensweisen. Das hat das Projekt noch einmal weit nach vorne gebracht hinsichtlich Präsentation und Vermittlung an das Publikum. So hatten wir durchaus die Möglichkeit uns intergenerationell auszutauschen, aber nicht so wie gedacht. Und nur mit Personen, die kein emotionales Verhältnis zu diesem Theater und auch keinen Anspruch auf ein ‚Vermächtnis‘ mehr hatten.
3. Für das Topping wird Mediation verwendet, um künstlerische Ausrichtungen und Erwartungen zu formulieren und zu übersetzen
Ein Austausch mit den unmittelbaren Akteur*innen im Haus hat leider nicht stattgefunden. Hier in Osnabrück ist dieser Prozess gescheitert. Mit den Erkenntnissen aus der Kommunikation rund um die Förderung des Prozesses zu FLUTEN endet hier das Bestreben eines Austausches. Das mag zwar eine traurige Erkenntnis sein. Aber damit beginnt auch der Wunsch, es beim nächsten Mal besser zu machen. Die Leitung dieses Theaters und der tragende Verein, der sich auch im Zuge dieses schwierigen Generationenprozesses nach und nach neu aufstellt, haben beschlossen, dass eine Transformation anders und kontinuierlicher stattfinden muss. Die Leitung des Theaters und das notwendige Ändern von Strukturen darf nicht erst wieder nach vielen Jahren und dann mir großer Anstrengung stattfinden. Und es braucht eine Mediation, um Wünsche und Vorstellungen auch für die jeweils andere Generation übersetzen zu können. Der Verein soll hierfür ein offener Kreis sein, der einlädt zu gestalten, aber auch ermöglicht aus diesen Prozessen auszusteigen. Das Ziel soll eine Unterstützung für ein Theater der Stadtgesellschaft sein. Der Verein soll keinen Anspruch auf künstlerische Gestaltung hegen, diese aber begleiten und befürworten. Die Leitung hingegen soll das Theater künstlerisch und auf der Ebene der Finanzen weiterentwickeln und schützen. Und zwar mit dem erklärten Ziel, eine Zukunft zu ermöglichen, die nicht dem Selbstzweck einzelner Personen dient.
4. Darauf wird eine Handvoll Veränderung gestreut, um ein ausgewogenes Verhältnis zu erzielen
Es geht uns darum, Neues auszuprobieren, gesellschaftliche Ungleichheiten hervorzuheben und Fragen zur Machtverteilung und Verhältnissen im Team und im eigenen Umfeld zu spiegeln. Die Frage der Verteilung von Macht und Strukturen in unseren Abläufen wurde sichtbar. Und in Zukunft stellen sich hier diese Fragen: Bin ich, nur, weil ich hier schon ganz lange arbeite und Kunst mache, die Person, die auch die meisten Rechte bekommt? Bin ich, nur weil ich Alt oder Jung bin, hier die Person mit der größten Durchschlagskraft? Welche Privilegien bin ich am Ende bereit zu teilen und unter welchen Voraussetzungen? Wäre es besser, wenn ich innerhalb eines Teams denken würde
TIPP: Wenn der Teig nicht aufgeht- Kontinuität trägt zum Gelingen bei
Daher, und das ist am Ende die Erkenntnis, muss es eine sukzessive und andauernde Entwicklung und Erneuerung geben. Nur so kann das Theater nachhaltig an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden. Und auch nur so können in Zukunft Projekte hier am Haus eine Chance bekommen, die auch unkonventionelle Wege gehen und sich ausprobieren. Genau wie die Recherchen zu FLUTEN.
NEUSTART KULTUR war ein Rettungs- und Hilfsprogramm zur Abfederung der Auswirkungen der COVID-19 Pandemie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Der Programmbaustein NEUSTART KULTUR – Junges Publikum wurde von ASSITEJ e.V. umgesetzt.
Zeichnungen: Johanna Benz, graphicrecording.cool


