darstellende künste & junges publikum goes Kuba –The 21st ASSITEJ World Congress & Performing Arts Festival for Children & Young People 2024

Ein Beitrag von Franziska Mörtl / Mitglied der TAG Germany im europäischen Jugendbeteiligungsprojekts ForesTEEN


In einer Welt, die von Unsicherheiten und globalen Krisen geprägt ist, gibt es Räume der Inspiration und des Austauschs, die den Glauben an die Kraft der Kunst und der Kreativität stärken. Der ASSITEJ World Congress für Kinder- und Jugendtheater in Havanna, Kuba bot genau solch einen Raum. Als Teil der TAG Germany (Theatre Action Group) im Rahmen des Projekts ForesTEEN – einem innovativen EU-Projekt zur Beteiligung von Jugendlichen in den Darstellenden Künsten für junges Publikum, bei dem das Kinder- und Jugendtheaterzentrum zusammen mit neun weiteren Partnern aus sieben anderen EU-Ländern zusammenarbeitet – hatte ich die einzigartige Gelegenheit, als Teil der deutschen Delegation an diesem internationalen Kongress teilzunehmen. Vom 24. Mai bis 1. Juni war eine Zeit voller bereichernder Theateraufführungen, aufregender Workshops und lebendiger Networking-Abende, die es mir ermöglichten, mit kreativen Köpfen aus der ganzen Welt in Kontakt zu treten.

Als wir uns innerhalb der TAG Deutschland im März diesen Jahres zum ersten Mal in Frankfurt trafen, um uns im Rahmen des ForesTEEN-Projekts kennenzulernen, hatte ich noch nicht geahnt, welches Abenteuer sich Ende Mai für mich auftun würde. ForesTEEN sieht nämlich den Plan vor, Partner*innen und Festivals von Deutschland nach Italien, Frankreich, Litauen und Dänemark, Serbien, in die Niederlande, Spanien sowie digital zu besuchen. Der internationale Austausch ist das Herzstück des Projekts, um die Beteiligung eines jungen Publikums an Theatern mit Teilnehmenden im Alter von 15 bis 25 Jahren weiterzuentwickeln. Wie international dieser Austausch tatsächlich werden sollte…? Während des Wochenendes gab es das erste Vorgespräch zum Angebot, dass jemand aus der Gruppe mit zum ASSITEJ World Congress fahren könnte und dort sogar innerhalb eines Workshops der deutschen Delegation mitwirken dürfte. Die ASSITEJ Deutschland ermöglicht seit mehreren Jahren einer Person unter 26 Jahre die Reise zu internationalen Gatherings. Letztendlich wurde gelost… und zack, es war doch glatt mein Los?! Also gesagt, getan, auf nach Kuba! Wir planten fleißig alle Inhalte im Voraus: ein Visum für die Einreise, eine gültige Auslandskrankenversicherung, Bargeld und allerlei aufwendige Dinge, die vor einer komplizierten Einreise nach Kuba nötig sind. Dann noch den Workshop „CHANGING DIRECTIONS“, den wir dort mitgestalten sollten.

Credit: Franziska Mörtl

Am 24. Mai saßen viele von uns im Flieger nach Havanna; ich zumindest völlig ungläubig, dass ich kostenlos eine solche Möglichkeit bekomme und sehr aufgeregt über meine erste Partizipation in diesem Kontext auf einem internationalen Parkett. Ganze zwölf Stunden später landeten wir (bei Backofentemperatur) an einem Flughafen, an dem schon direkt die ersten Oldtimer-Gefährte vorbeifuhren. Mit ordentlichem Jetlag und einer Zeitverschiebung von minus sechs Stunden zu Deutschland sowie einer sportlichen Eingewöhnung an das Klima holten wir unseren Pass für den Kongress am nächsten Tag im Zentrum der Veranstaltung ab. Ausgerüstet mit den zugehörigen Tickets für die Theaterstücke der ganzen Woche ging es los.

Meine Highlights an Vorstellungen, Workshops und Veranstaltungen möchte ich hier zusammenfassen:

Bounced by Magnet Theatre – Ein Stück aus Südafrika, das anhand von verschiedenen Bällen auf humorvolle Weise zeigt, wie Gruppendynamiken entweder ein Gefühl von Macht und Ausgrenzung erzeugen oder geteilten Spaß, der sich verdoppeln kann. 

Clowncierto by Teatro Tuyo – Clowns, die sich durch internationale Genres und Situationen „durchspielen“. Das war mein erstes Theaterstück, das ich gesehen habe, in dem die Kinder durch Plastiktüten oder eigene Kommentare eingeladen wurden, die Performance mitzugestalten. Im Raum entstand eine einzigartige Dynamik, weil alle Teil der Performance wurden. 

„Schön Anders“.
Fotocredit: Franziska Mörtl

Schön Anders/Beautifully Different by Ceren Oran, ein Tanzstück, das die Suche nach Identität und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit thematisiert. Fünf Tänzer*innen teilten ihre eigenen Erfahrungen von Anderssein und Zugehörigkeit, während sie die Spannungsfelder zwischen individuellem Selbstbewusstsein und gesellschaftlichen Erwartungen auf kreative, humorvolle und berührende Weise darstellten. War ein sehr berührendes Stück! 

Expansive Access & The Outdoors In Theatre For The Very Young by Flying Leap Productions – Im Workshop „The Garden“ haben wir erfahren, wie das Projekt radikale Zugänglichkeit in der Kunst fördert. Die Entstehung des Projekts und der Einsatz multi-sensorischer Elemente in öffentlichen Räumen wurden intensiv thematisiert. Wir haben in Gruppen an kurzen Momenten gearbeitet, die spezifische Zugangsaspekte wie Intergenerationalität, Multi-Sensorik und individuelle Erlebnisse in den Fokus stellten. Zum Beispiel haben wir mit wenigen Naturobjekten eine „Mitmach-Geschichte“ ohne Worte konstruiert und alle Varianten in der Gruppe aufgeführt und reflektiert. 

Workshop „Changing Directions“. Credit: Anna Eitzeroth

CHANGING DIRECTIONS“ by ASSITEJ Germany – Im Workshop der ASSITEJ Deutschland wurde die dynamische Landschaft der Theaterarbeit für junges Publikum beleuchtet. Der Workshop förderte nicht nur den künstlerischen Austausch, sondern stellte auch die Bedeutung von Inklusion und Vielfalt im kreativen Prozess in den Vordergrund. Sechs Künstler*innen mit unterschiedlichen Hintergründen und Methoden präsentierten vielfältige Ansätze zur Ansprache junger Zuschauer*innen. Von Gemeinschaftstheater über performative Forschung bis hin zu multidisziplinären Shows – jede*r Künstler*in brachte eine einzigartige Perspektive ein, die die traditionellen Grenzen des Theaters für junges Publikum herausfordert. Das interaktive Format des Workshops, in dem die Teilnehmer*innen in kleinere Gruppen aufgeteilt wurden, ermöglichte eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit spezifischen Methoden. Diese Struktur förderte kollaboratives Lernen und den Austausch von Ideen, sodass die Teilnehmer*innen nicht nur von den Künstler*innen lernen, sondern auch eigene Erfahrungen einbringen konnten. Dadurch wurde die Kluft zwischen professionellen und nicht-professionellen Akteur*innen verringert und ein Gefühl von Gemeinschaft und Co-Kreation gefördert. Insgesamt unterstreicht diese Initiative die sich wandelnde Natur des Theaters für junges Publikum, in der neue Kompetenzen, vielfältige Stimmen und innovative Praktiken entscheidend sind, um Arbeiten zu schaffen, die bei den heutigen jungen Zuschauer*innen Resonanz finden. Der Fokus auf künstlerischen Ausdruck und soziales Engagement positioniert die Künstler*innen als Katalysatoren für Veränderungen, wodurch das Theater zu einem inklusiveren, dynamischeren und relevanten Medium für zukünftige Generationen wird. Dieser Workshop war für mich sehr besonders, weil ich in dessen Rahmen unter der Anleitung von Kris Grün (Theatermacherin aus Berlin und Mitarbeiterin im KJTZ) mein erstes eigenes Format entwickeln konnte, um meine Methoden, die ich bei meinem Projekt „GG Soprano“ anwende, mit internationalen Theaterschaffenden zu teilen.

Ich war auch sehr nervös, weil es das erste Mal war, dass ich öffentlich gezeigt habe, wie meine eigenen Arbeitstechniken die Vermittlung von Oper an junge Zuschauer*innen ermöglichen, indem ich über Assoziationen in einem modernen Musik-Act selbst Oper mit Rap mische. Das Feedback, das ich erhielt, hat sowohl meine Kreativität als auch meine Motivation neu beflügelt. Spannend war auch, von der internationalen Veranstaltung „DIRECTORS IN TYA – An International Exchange“ zu erfahren, die die ASSITEJ Deutschland alle zwei Jahre durchführt und zu der Regisseur*innen der Darstellenden Künste für junges Publikum aus aller Welt für eine Woche an einem Theater in Deutschland zusammenkommen.

Credit: Kris Grün

Besonders bereichernd war im Anschluss auch der deutsch-französische Abend, bei dem ich mit meinem Projekt „GG Soprano“ live auftreten durfte. Es hat mich so gefreut, dass ein internationales Publikum zu deutschen Rap-Texten von mir und Opern-Rap-Musik feierte. Der Abend und die Partys, die jeden Abend von anderen Ländern veranstaltet wurden, waren echte Highlights.

Der Weltkongress in Havanna war nicht nur ein Fest der Darstellenden Künste, sondern auch eine beeindruckende Reise durch die pulsierende Kultur der Stadt. Die lebendigen Straßen, geschmückt mit bunten Fassaden und voller Musik, strahlten eine einzigartige Lebensfreude aus, die selbst in den schwierigsten Zeiten ungebrochen scheint. Dennoch lässt die gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Stadt und ihrer Menschen einen bittersüßen Nachgeschmack zurück. Hinter den fröhlichen Gesichtern und den herzlichen Lächeln der Kubaner verbirgt sich oft ein Kampf um den Alltag, der von begrenzten Ressourcen und einem niedrigen Lebensstandard geprägt ist. Leerstehende Lebensmittelgeschäfte, hohe Inflation, Essensmarken für zwei Semmeln am Tag, ungenügende Löhne und ein Mangel an vielen alltäglichen Produkten sind die traurige Realität.

Mit erst 23 Jahren durfte ich Erfahrungen sammeln, die nicht nur meiner Karriere als Künstlerin neue Perspektiven eröffnet haben, sondern auch junges Theater als Ganzes fördern. Der Austausch mit visionären Theatermacher*innen aus aller Welt hat in mir das Gefühl der Zugehörigkeit geweckt und mich mit frischen Ideen und Anregungen inspiriert – ein Geschenk, das ich in dieser herausfordernden Zeit besonders schätze. Der Kongress in Havanna hat mir gezeigt, dass Kunst und Theater verbindende Elemente sind, die uns über Grenzen hinweg zusammenschweißen und die nächste Generation hochqualitativer Theaterarbeit fördern können.

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