Worte, die Welten erschaffen

Grußwort von Katrin Maiwald bei der Preisverleihung des Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreises 2024

für den Blog von Christoph Macha bearbeitet

Am Freitag, den 22. November 2024, hielt Katrin Maiwald, die neu gewählte Vorsitzende der ASSITEJ Deutschland, bei der Verleihung des Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreises ihr erstes offizielles Grußwort. Ihre Rede war nicht nur eine persönliche Reflexion, sondern auch ein kraftvoller Appell an die gesellschaftliche Bedeutung von Theater für junges Publikum und an die Verantwortung, diesen Raum der Kunst und Bildung zu bewahren.

Eine persönliche Positionierung

Maiwald begann ihre Rede mit einer bewussten Positionierung: Als queere, weiße, nicht-behinderte freischaffende Künstlerin sprach sie über die Vielschichtigkeit von Sprache – und über ihre Macht. Sie erinnerte daran, dass Worte berühren und trennen, verletzen und heilen können. Worte, so betonte sie, erschaffen Welten. Doch gerade in einer Zeit, in der Sprache von populistischen Kräften umgedeutet und für menschenfeindliche Narrative instrumentalisiert wird, werde die Wahl der Worte immer wichtiger. Gleichzeitig hob sie hervor, wie Sprache sich wandelt und wie gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und die Kämpfe marginalisierter Positionen auch in der Sprache wahrnehmbar werden. Neue Begriffe entstehen, alte verschwinden – ein dynamischer Prozess, der gerade im Theater mit und für junge Menschen besonders spürbar sei.

Theater als Übungsraum für Worte und Perspektiven

„Im Theater verbinden sich Sprache und Spiel, Realität und Fiktion, Tatsachen und Utopien.“

Für Maiwald ist das Theater ein Ort, an dem generationsübergreifend geübt werden kann: Worte sprechen, zuhören, Perspektiven wechseln und neue Argumente ausprobieren.

Die nominierten Stücke für den Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreis 2024 zeigten eindrucksvoll, wie Autor*innen mit Sprache spielen, um Geschichten zu erzählen, die Kinder und Jugendliche ebenso wie Erwachsene berühren. Ob im Theatersaal oder im Klassenzimmer – Theater wird hier zum lebendigen Ort des Austauschs.

Ein Appell für Ressourcen und Förderung

Damit solche Stücke entstehen können, brauche es Ressourcen: Zeit, Geld, Barrierefreiheit und Räume für Resonanz und Austausch. Maiwald würdigte die kontinuierliche Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt – eine Unterstützung, die seit Jahrzehnten das Schreiben für junges Publikum ermöglicht. Doch sie machte auch deutlich, dass diese Arbeit gefährdet ist. „Insbesondere Kinder- und Jugendtheater, die ohnehin oft prekär finanziert sind, leiden unter aktuellen Sparmaßnahmen. Die freie Szene und Theaterhäuser für junge Menschen stünden auf dem Spiel.“ Hier sei ein entschiedenes Handeln notwendig:

„Für diese Kraftanstrengung sind wir alle gefragt und es ist wichtig, dass wir die Stimmen der Kinder, der Jugendlichen, der Künstler*innen endlich in den Mittelpunkt rücken, die besonders von Marginalisierung und Ausschlusserfahrungen betroffen sind. Die vulnerabelsten unter uns müssen im Zentrum stehen, und drumherum kämpfen wir gemeinsam für den Erhalt und den Ausbau von Kunst und kultureller Bildung.“

Theater als Ort der Aushandlung und Solidarität

Maiwald rief Politik, Wissenschaft und Theaterschaffende dazu auf, gemeinsam zu handeln, immer wieder neue Argumente zu finden und solidarische Allianzen zu bilden – für Kunst und für junges Publikum. Theater sei ein Ort, an dem Welten verhandelt werden, und die Stimmen der Kinder und Jugendlichen müssten dabei auch zukünftig gehört werden.

Ein Abend der Ermutigung

Die Preisverleihung, die seit 1996 regelmäßig Autor*innen für junges Publikum würdigt, wurde an diesem Abend zu einem Zeichen der Ermutigung. Maiwalds Worte waren ein Appell, sich weiterhin für Theater und Sprache einzusetzen – für die Kunst, die junge Menschen inspiriert und die Welt mitgestaltet. In einer Zeit, in der Theater mehr denn je ein Raum der Reflexion und der Gemeinschaft sein kann, bleibt die Botschaft klar: Es gibt viel zu verhandeln – im Leben und auf der Bühne.

Und somit zitierte Maiwald abschließend aus dem Stück Raumrauschen von Matin Soofipour-Omam:

„- Also, am Anfang war das Wort.

– Da fragt Mensch sich nur, welches Wort, das bitte gewesen sein soll.

– Und wer darf es aussprechen?!“

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