„Anscheinend hat unsere viel gerühmte Theaterlandschaft nicht angemessen auf Zuwanderung reagiert und kulturelle Vielfalt nicht entsprechend auf der Agenda. Dabei bezeichnen doch insbesondere die Stadt- und Staatstheater ihr Geschäft gerne als Selbstvergewisserung der Gesellschaft. Sie wollen Spiegel des Lebens sein. In unserem Kulturstaat ist das Schauspiel aber ziemlich deutsch geblieben.
Nicht nur das Publikum entspricht nicht der bunten Republik, auch im Personal und in den Produktionen ist das Theater wenig multiethnisch. Die Respektierung kultureller Vielfalt ist in einer multikulturellen Gesellschaft Voraussetzung und Herausforderung zugleich. Kulturpolitik könnte dann im Integrationsbemühen eine zentrale Rolle spielen, sie sollte zum Verständnis sowie zur Anerkennung kultureller Differenzen beitragen.“
(Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und Vorstand der ASSITEJ in „Nadelstriche für’s System – Theaterkunst braucht Kulturpolitik“ in Genshagener Noten)
Was ist gerecht? Diese Frage stellt die Frankfurter Rundschau im Herbst 2014 vielen Menschen. Eine von ihnen war Wolfgang Schneider, dessen Antwort vergangene Woche in der Print-Ausgabe erschien:
„Was ist gerecht? Das ist unser Thema. Kulturelle Teilhabe ist ein Menschenrecht. So steht es in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Vereinten Nationen. Unsere vielfältige Kulturlandschaft schafft es aber keineswegs, allen Bürgern Zugang zu Theater und Museen zu ermöglichen. Nur knapp 10 Prozent nehmen regelmäßig wahr, was künstlerisch mit Steuermitteln geboten wird, mehr als die Hälfte bleibt lebenslang kulturell außen vor. Und jetzt sorgen auch noch Schutzschirm und Schuldenbremse für kommunale Kürzungen. Die Gebühren für die Musikschulen werden erhöht sowie der Anschaffungs- und Veranstaltungsetat der Büchereien gestrichen. In der Schule müssen sich Jugendliche zwischen Taubheit oder Blindheit entscheiden, wenn sie entweder Kunst- oder Musikunterricht abwählen. Und was ist mit den Darstellenden Künsten? Wenigstens zwei Mal jährlich sollten alle Kinder einen Theaterbesuch garantiert bekommen. Das fände ich gerecht!“
Professor Dr. Wolfgang Schneider ist Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau)