„Willst Du mit mir gehen? Ja – Nein – Vielleicht – Vor allem aber: Warum?
Die diesjährige Reflexionsveranstaltung für das ASSITEJ Förderprogramm „Wege ins Theater!“ im Rahmen von „Kultur macht stark“ fand am 28. und 29. Mai im Rahmen von „Westwind – Arbeitstreffen der Kinder- und Jugendtheater NRW“ in Düsseldorf statt. Idee der Reflexionsveranstaltungen, die einmal jährlich stattfinden, ist der Austausch der Akteure, die im Rahmen des Förderprogramms im ganzen Bundesgebiet aktiv sind. In Düsseldorf haben sich rund 20 Akteure aus „Bündnissen für Bildung“ über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Fragen ausgetauscht.

(von links: Anna Eitzeroth, Jutta M. Staerk, Thomas Lang, Gordon Vajen, Katrin Schyns )
Eine zentrale Herausforderung, die sich Theatern und ihren Partnern im Programm „Wege ins Theater!“ stellt, ist die Ansprache von Kindern und Jugendlichen außerhalb der Schulpflicht. Gerade Kinder und Jugendliche, die Schule mit Misserfolg und Frustration verbinden, übertragen diese negativen Assoziationen oft auch auf andere Angebote, die im Rahmen von Schule gemacht werden. Deshalb ist es laut Fabienne Weihrauch, Mitarbeiterin des LAG Soziale Brennpunkte Hessen, wichtig, junge Menschen auch außerhalb von Schule, zum Beispiel im Rahmen der offenen Jugendarbeit anzusprechen. Der Regisseur Ingo Toben, der bereits seit 2006 künstlerisch mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, betont, dass es ihm um die Menschen und ihre Geschichten und Erfahrungen geht. Den Titel seines Vortrags „Sagt einfach, was ihr seid, das ist allemal gut genug“ könne man ergänzen mit „nicht was ihr gerne wärt oder was ihr sein müsstet“.
Die Ansprache von Kindern und Jugendlichen, die mit Bildungsbarrieren konfrontiert sind, ist ein Balanceakt und provoziert die Frage nach der Haltung von Theatermachern gegenüber diesen Zielgruppen: Was erhoffen wir uns von Projekten mit „diesen Menschen“, die wir nicht bezeichnen können, ohne sie gleichzeitig zu diskriminieren und zu stigmatisieren? Wie können wir Theater für sie öffnen? Und wie kann sich Theater verändern, wenn es von Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen mitgestaltet wird?
Theatermacher sind in Deutschland in der überwiegenden Mehrheit extrem privilegiert, und möchten mit Menschen Kontakt aufnehmen, die weniger Pfründe in die Wiege gelegt bekommen haben. Im Theater gelten meist klare (und oft steile) Hierarchien und Leistungsprinzipien. Theater stellen in der Auswahl ihrer Spielplan-Positionen und in der Auswahl ihres Personals (auf und hinter den Bühnen) auch ihre Werte und ihre Perspektive auf die Gesellschaft dar. Die eigene Perspektive zu reflektieren ist der erste Schritt in der Ansprache von Menschen, die bisher nicht im Theater präsent sind. Wir können nicht verhindern, dass wir Vorurteile haben, aber wir können bewusst damit umgehen. Wen wir erreichen, hängt nicht von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit ab, sondern von Beziehungsgefügen. Wenn wir fragen „Willst Du mit mir gehen?“, dann fragen junge Leute zurück „Warum sollte ich?“.

Warum könnte Theater also für junge Menschen interessant sein? Was kann Theaterkunst als Kulturelle Bildung, was das Bildungssystem nicht kann? Theater kann Freiräume bieten, die z.B. in der Schule nur sehr begrenzt verfügbar sind. Theater kann gesellschaftliche Normierungen spielerisch hinterfragen. Theater kann künstlerische Formate erfinden, in denen Künstler mit Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen arbeiten. Theater kann Menschen, die bisher nichts mit Theater zu tun haben, dazu einladen, Theater zu entdecken, zu entwickeln und zu verändern.
„Wege ins Theater!“ ist eine Möglichkeit und ein Experimentierfeld, in dem viele der aufgeworfenen Fragen weiterentwickelt und künstlerisch erprobt werden können.“
Anna Eitzeroth, Projektleiterin von Wege ins Theater