Manfred Jahnke über das neue „IXYPSILONZETT. Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheater 2016 der ASSITEJ Deutschland“ (Verlag Theater der Zeit, Berlin).
„Wenn es um ein Theater für ein junges Publikum geht, ist das alljährlich erscheinende „Jahrbuch für Kinder- und Jugendtheater der ASSITEJ Deutschland“ unentbehrlich geworden. Gerade ist die Ausgabe für 2016 erschienen. […]
Im Jahrbuch 2016 wird das Thema „Kinder, Theater und Krieg. Vom Inszenieren des Grauens für ein junges Publikum“ als Schwerpunkt gesetzt. Alle Autoren sind sich in einem Punkt einig, den Wolfgang Schneider in seinem Editorial so formuliert: „Dabei geht es nicht um Gewaltdarstellungen oder gar Horrorszenarien, vielmehr geht es um Kontexte und Zusammenhänge, um inhaltliche und ästhetische Herausforderungen, um Empathie und Distanz. Das Thema Krieg ermöglicht es dem Theater, mit jungen Menschen über gerecht und ungerecht zu kommunizieren, über Werte und Ideale, über die Veränderbarkeit der Welt.“ Es kann also nicht darum gehen, mit den Bildern des Fernsehens zu konkurrieren, sondern die Erfahrungen mit/im Krieg in den Zusammenhang mit den großen ethischen Fragen der Menschheit zu stellen. […]
Ein kleiner Schwerpunkt in diesem Jahrbuch-Schwerpunkt sind zwei Beiträge, die sich mit dem Genozid in Ruanda auseinander setzen. In einem Gespräch mit Wolfgang Schneider entwickelt der niederländische Autor Ad de Bont seine Erfahrungen beim Recherchieren zum Thema, über die Bilder, die man sieht, aber sich das Gezeigte nicht vorstellen kann. In „Lügen“ entwickelt Bont seine Geschichte auch aus der ästhetischen Distanz, weil „Es ist wichtig, dass das Theater nicht nur zum Mitfühlen, sondern auch zum Denken anregt.“ Deshalb muss am Ende auch immer „etwas Hoffnung bleiben. Nicht nur die Frage: Und wie jetzt weiter? Nach dieser grausamen Geschichte.“ Raum für Utopie also. In „Wenn wir nicht die Wahrheit sagen, wer sagt sie dann?“ berichtet die Theatermacherin Hope Azeda aus Ruanda über ihre praktischen Erfahrungen, wobei ihr ein wesentliches Anliegen die Durchbrechung der Gewaltspirale ist: „Können die Opfer von gestern zu den Mördern von morgen werden?“.
In allen Beiträgen zeigt sich eine hohe Reflexionskraft, die in der Frage nach den ästhetischen Strategien, mit denen dieses komplexe Thema umgesetzt werden, zugleich dem Theater etwas wieder gewinnt, was manchmal im Alltagsgeschäft verloren geht, die Frage nämlich nach der Kraft des Theaters als ein Ort der Reflexion und der Utopie. Das Jahrbuch 2016 liefert dafür den Stoff, der alle, die sich ernsthaft mit diesem Ort und mit diesem Themenkomplex beschäftigen, mehr als eine Spielzeit beschäftigen wird.“
Die vollständige Rezension von Manfred Jahnke ist unter www.assitej.de nachzulesen.