ASSITEJ- Werkstatt auf dem Wildwechsel Festival 2017 in Dresden
Karen Giese vom Theater Strahl Berlin berichtet
Am Samstag 23.9. trafen wir uns – ca. 30 Theatermacher_innen aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien, um uns nachbarschaftlich, divers und gemeinsam miteinander auszutauschen.
Nach einer Vorstellungsrunden erhielten wir von den Moderator_innen Christoph Macha und Franziska-Theresa Schütz eine Einführung zu den Ergebnissen der von der ASSITEJ in Auftrag gegebenen Studie zur Lage des Kinder- Jugendtheater in Deutschland (offiziell veröffentlicht wird sie am 21.10. auf dem licht.blicke Festival in Nürnberg). Damit wir auch selber aktiv sein konnten, positionierten wir uns im Rahmen einer „Live-Statistik“ zu einigen der Fragestellungen der Studie im Raum: Wie viele von uns arbeiten an einem festen Haus mit eigener Spielstätte? Wie viele von uns arbeiten in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern? An welchem Haus gibt es Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen familienfreundlich zu gestalten? Wo spielt Diversitätsmanagement offiziell eine Rolle?
Nachdem Themen gesammelt wurden, zu denen wir uns in den nächsten zwei Stunden untereinander austauschen wollten, tauchten wir ein in zwei Runden lebhafter Tischgespräche.
Wir diskutierten die Fragen nach Diversität und Gender auf und hinter der Bühne, nach Demokratie und Machtstrukturen im Theater, nach der sozialen Wirksamkeit von Theater und
den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum und in der Stadt. Auch die politische Verwertbarkeit der Studie und die Möglichkeiten und Formen internationaler Kooperationen waren Themen, die behandelt wurde.
Am Ende der Werkstatt präsentierte jeder Thementisch die Ergebnisse der Diskussionen (hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
– Warum spiegeln die Bühnen die Stadtgesellschaft nicht wieder? Ermutigen wir nicht genug? Wie offen sind wir als westlich geprägte Kultur, andere Arbeitsweisen zu akzeptieren? Diversität muss die Regel werden. Der AK Ost will dazu einen Themenabend mit Expert_innen in den Theatern anregen.
– Es gibt im Kinder- und Jugendtheater immer noch zu oft stereotype Rollenbilder auf der Bühne. Um dem entgegen zu wirken, muss man schon im Produktionsprozess eine Haltung zu Genderfragen entwickeln.
– Theater im ländlichen Raum scheitert oft an der Logistik, die Schüler_innen zum Theater zu bringen. Es gibt Beispiele aus anderen Ländern, wo das Theater „mitgebracht“ wird (damit nicht immer nur die Turnhallen bespielt werden). Die Bedingungen von Theater in der Fläche ist ein kulturpolitisches Thema, es muss Förderung (zum Beispiel für die Buslogistik) geben. Ein zukünftiges Spurensuche-Festival könnte zum Thema „theaterfremde Orte“ ausgerichtet werden.
– Anders als im Bereich Tanz kooperieren KJT international noch immer eher projektbezogen und nicht über einen längeren Zeitraum. Sprache sollte nicht mehr als Schwierigkeit in der Zusammenarbeit sondern als ein Forschungsgegenstand betrachtet werden – und um langfristige Kooperationen anzustoßen braucht es Förderung für die Anbahnung von Kontakten.
– Die soziale Wirksamkeit von Theater ist nicht empirisch belegt. Aber KJT hat den Auftrag, soziale Themen zu zeigen und zu hinterfragen, unsere stückbegleitenden Formate sind ein Teil davon. Wenn wir es schaffen, Menschen ins Theater zu bekommen, die noch nie da waren, sind wir sozial wirksam – keine Angst vor Begegnung und Konfrontation – keine Angst vor Erwachsenen, denn sie sind die Eltern unseres Publikums!
– Besonders heiß diskutiert wurde auch die Themenstellung Machtstrukturen und Demokratie: Was für partizipative Formate in den Häusern gibt es? Wie geht man mit dem Spannungsverhältnis von Mitbestimmung und künstlerischer Verantwortung um? Und würde die Offenlegung unserer Gehälter und Gagen eine Besserung in Hinsicht auf Gleichberechtigung, Machtgefälle, Transparenz bewirken?
Der Austausch unter uns war bereichernd, impulsgebend – gemeinsam, nachbarschaftlich und divers – gerne hätten wir wohl nach dem Mittagessen weiter diskutiert – aber da wartete der „Seltsame Freund Walter“ aus Halle schon auf uns – und der durfte nicht verpasst werden!
Vielen Dank für die großartige Vorbereitung, Ermöglichung und Durchführung der Werkstatt, Dank an Franziska-Theresa Schütz, Christoph Macha und die ASSITEJ e.V.