
Auszug aus dem Impulsvortrag von Gerd Taube auf der Informationsveranstaltung zur Planung des Kinder- und Jugendtheaters im Zoogesellschaftshaus in Frankfurt am Main am 22. November 2019, zu der die Kulturdezernentin Ina Hartwig eingeladen hat. Gesprochen haben neben Gerd Taube auch der Architekt Andreas Schröder für die Bauplanung sowie Vertreter*innen des Vereins Paradiesvogel e.V., in dem sich mehrere freie Kinder- und Jugendtheater in Frankfurt zusammengeschlossen haben.
Vor zwei Tagen jährte sich die Verabschiedung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes am 20. November 1989 zum 30. Mal.
Mit dem Beschluss des Frankfurter Magistrats vom August dieses Jahres ist ein Kinder- und Jugendtheater der Stadt Frankfurt am Main mehr als eine Idee. Es ist ein konkretes Vorhaben und es kann und muss ein weiterer Beitrag zur umfassenden Umsetzung der Rechte der Kinder in der Gesellschaft sein.
In der Hessischen Landesverfassung finden wir seit der Wahl 2018 im Artikel 4 unter Ziffer 2 eine wesentliche Ergänzung:
„…Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein wesentlich zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Der Wille des Kindes ist in allen Angelegenheiten, die es betreffen, entsprechend seinem Alter und seiner Reife im Einklang mit den geltenden Verfahrensvorschriften angemessen zu berücksichtigen…“
Damit wäre neben allen anderen guten Gründen und Argumenten, die sich auch in dem Magistrats-Beschluss finden, eine weitere gewichtige Begründung für die Notwendigkeit eines städtischen Kinder- und Jugendtheaters in Frankfurt gegeben.
In der aktuellen UNICEF-Kinderrechte-Umfrage My place, my rights – Jetzt rede ich! bewerten Kinder und Jugendliche die ihnen gebotenen Freizeitangebote mit der Note „befriedigend“ und gleichzeitig fordern über die Hälfte der Befragten (52 %), mehr an politischen Entscheidungen beteiligt zu werden. Insbesondere 16- bis 17-Jährige äußern diesen Wunsch.
In der zitierten Umfrage wird die Handlungsempfehlung gegeben, dass „Städte und Gemeinden … die Bedürfnisse, Interessen und Meinungen von Kindern und jungen Menschen in Entscheidungen, die sie betreffen, hören und berücksichtigen“ sollten und dazu mehr Beteiligungsmöglichkeiten schaffen (sollten), die allen Kindern und Jugendlichen offenstehen:
Wenn das keine Steilvorlage für die Ausgestaltung des weiteren Verfahrens zur Planung und Gestaltung des städtischen Kinder- und Jugendtheaters in Frankfurt ist!
Es braucht aber die Beteiligung weiterer Akteur*innen an der Ausgestaltung des Kinder- und Jugendtheaters, insbesondere derjenigen, die in dieser Stadt unter zeitweilig widrigen Bedingungen Theater für junges Publikum gemacht haben und weiterhin machen.
Es sind insbesondere die frei produzierenden Ensembles und Theater, die in den letzten drei Jahrzehnten dafür gesorgt haben, dass Kinder- und Jugendtheater in Frankfurt überhaupt stattfindet und Kinder und Jugendliche ihr Recht auf Teilhabe an Kunst und Kultur auch einlösen können.
Auf diese Erfahrungen, künstlerischen Konzepte und Expertisen kann und sollte nicht verzichtet werden. Und das neue Theater muss im Einklang mit der bestehenden Stadtlandschaft des Jungen Theaters stehen und darf nicht diejenigen verdrängen, die über Jahrzehnte für die Theaterkunst für junges Publikum gestritten und ihre Qualität maßgeblich mitbestimmt haben.

Angesichts des Magistrats-Beschlusses vom August muss ein Satz des Magistratsmitglieds und Bürgermeisters Uwe Becker in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau von Anfang Oktober äußerst befremdlich erscheinen. Dass ein Bürgermeister dieser Stadt lapidar feststellt, dass es notwendiger sei, die Städtischen Bühnen in die Zukunft zu führen, statt ein Kinder- und Jugendtheater zu ermöglichen, das kann einem schon die Sprache verschlagen. Vor allem, wenn man das zähe Ringen der Römerkoalition um einen Konsens für ein städtisches Kinder- und Jugendtheater über die letzten Jahre mitverfolgt hat.
Wenn der Kämmerer dann davon spricht, die Städtischen Bühnen in die Zukunft führen zu wollen, fragt man sich, für wen er das tut, wenn nicht für die zukünftigen Besucher*innen. Und die sind heute noch Kinder oder Jugendliche und bekommen von eben diesem Kämmerer gesagt, dass ein Theater für sie gar nicht so notwendig sei und sie zugunsten der Städtischen Bühnen darauf verzichten müssen.
Wenn man eins aus der Fridays for Future-Bewegung lernen kann, ist es doch, dass die Kinder und Jugendlichen mit ihren Anliegen und Bedürfnissen von der Gesellschaft ernst genommen werden wollen. Dass ein Bürgermeister dieser Stadt mit einem Satz der jungen Generation das Recht auf ein städtisches Kinder- und Jugendtheater abspricht, das Frankfurt am Main schon lange braucht, ist beschämend.
In Frankfurt gibt es seit dreißig Jahren einen Ort für das Gedächtnis des Kinder- und Jugendtheaters, eine Institution für die fachliche Beobachtung und Begleitung der aktuellen künstlerischen Praxis und einen Verband für Interessenvertretung der Theater für Kinder und Jugendliche. Denn seit 1989 haben die ASSITEJ Deutschland, als Verband der Kinder- und Jugendtheater und das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland ihren Sitz in Frankfurt.
ASSITEJ und KJTZ haben über die letzten Jahre die Entwicklung des Kinder- und Jugendtheaters für Frankfurt von der Idee zum Projekt genau verfolgt und begleitet und wir finden, dass es eine Bereicherung für das neue Theater sein könnte, wenn wir mit unserer Expertise und Erfahrung, unserem Archiv und unserer Bibliothek und Mediathek in dem neuen Haus auch einen Platz fänden. Es würde dem neuen Haus gut zu Gesicht stehen, das erste und wohl auch einzige Theater für junges Publikum in Deutschland zu sein, unter dessen Dach sich neben der Kunst für das junge Publikum auch das geballte Wissen und die gebündelte Expertise zu dieser Theaterform versammelt.
Ich versichere dem Kulturdezernat, der Planungsgruppe für das Kinder- und Jugendtheater und der lokalen Szene des Theaters für junges Publikum öffentlich, dass die ASSITEJ und das Kinder- und Jugendtheaterzentrum das Projekt gern weiterhin begleiten und unterstützen. Es wäre doch ein schönes gemeinsames Ziel, am 20. März 2025, zum Welttag des Theaters für Kinder und Jugendliche, das Frankfurter Kinder- und Jugendtheater am Zoo im Rahmen des Festivals Starke Stücke zu eröffnen.