Biorhythmus und Freundschaft mit Luisa Jung und Rebekka Gebert: Folge 5 von „DisPlay“ des justmainz

Virtuelle Spielzeit mit+abstand: Kategorie [zu+hören]

Foto_DisPlay5Fünf Jugendliche arbeiten jeweils im Tandem mit eine*r Künstler*in. Sie erstellen ästhetische Konzepte, sind Regisseurinnen, geben Impulse und treffen Entscheidungen. Die Paare treffen sich im Netz, am Telefon, hinterlassen an verabredeten Orten Botschaften oder begegnen sich live mit Abstand um gemeinsam eine maximal fünf minütige Performance zu entwickeln. Jeden Freitag um 18 Uhr wurde in den letzten Wochen hier ein neues Ergebnis zum Anschauen oder Anhören veröffentlicht.

Zum Abschluss der DisPlay-Reihe entsteht eine Arbeit zum Anhören: Luisa und Rebekka lieben beide Musik, dokumentieren ihr gegenseitiges Kennenlernen und komponieren, ohne einander live zu begegnen. In Mein Biorhythmus ist relativ non-existent erforschen sie dabei die Frage, was Freundschaft in physischer Abwesenheit ausmacht.


von Katrin Maiwald

Wie klingt Kennenlernen?

Wie klingt gemeinsames Musizieren übers Display? Wie fühlt sich Kennenlernen, ohne sich zu treffen an? Was erzählen uns nächtliche Sprachnachrichten voneinander? Obwohl sie nur wenige Straßen voneinander entfernt wohnen, haben Luisa Jung, 13 Jahre, und Rebekka Gebert, 28 Jahre, sich während ihrer Probenzeit für DisPlay nie live getroffen. Sie haben ihr gegenseitiges Kennenlernen mit Abstand zum Ausgangspunkt für ihre künstlerische Arbeit genommen. Während Luisa schon lange viele enge Freundschaften über das Internet auch über Ländergrenzen und über Ozeane hinaus pflegt, beschränken die Abstandsregelungen für Rebekka sehr stark ihren Austausch und die physische Nähe zu Freund*innen. Über tägliche Sprachnachrichten, Tagebucheinträge, Videokonferenzen, Botschaften im öffentlichen Raum oder musikalische Proben per Videochat gaben die beiden einander Einblick in den Rhythmus ihrer Lebensweisen und Gedankenwelten. Da Rebekka Musikerin ist und Luisa ebenfalls Instrumente spielt und Hörspiele mag, stand schnell fest, dass am Ende ihres Kennenlernens ein Hörspiel entstehen soll. Nach dem sich in über vier Wochen mehrstündiges Material angesammelt hat, war es gar nicht so leicht, eine Auswahl zu treffen. Trotz unterschiedlichen Biorhythmen ist es den beiden aber gelungen, stets in Austausch zu bleiben und gemeinsam eine Auswahl und Struktur für ihr Ergebnis zu finden.

[Begriffsbestimmung: Was bedeutet eigentlich „Discord“?
Discord ist ein Onlinedienst für Instant Messaging, Chat, Sprachkonferenzen und Videokonferenzen, der vor allem für Computerspieler*innen geschaffen wurde, später aber auch vermehrt für andere Bereiche genutzt wird.]

Eine Woche vor der Premiere führte die begleitende Dramaturgin Katrin Maiwald, 34 Jahre alt, ein Interview mit Luisa und Rebekka per Sprachnachricht:

Katrin: Worüber habt Ihr euch zuletzt miteinander unterhalten, ausgetauscht?

Luisa: Es ging wieder um Erdbeer-Lipgloss – ich glaube, das ist so ein anhaltendes Thema [lacht].

Katrin: Welche Fragen oder Gedanken haben euch während eures Kennenlernens beschäftigt?

Luisa: Oh, das ist ganz schwer zu sagen, weil wir uns wirklich viel ausgetauscht haben. Ich glaube, wir haben irgendwie versucht, das Leben des anderen zu verstehen. Also weil wir haben komplett andere Grundlagen – ich bin ja Schülerin und sie arbeitet schon. Wir haben einen relativ großen Altersunterschied, deswegen ging es vor allem darum, zu verstehen, wie das Leben des anderen aufgebaut ist.

Rebekka: Tatsächlich habe ich immer nach Gesprächen mit Luisa gedacht: Ich bin noch nicht mal dreißig, aber ich fühl mich total veraltet, weil ich gemerkt hab, wie wenig Ahnung ich einfach von dieser ganzen virtuellen Welt habe. Da merke ich, dass meine Kenntnis total eingeschränkt ist und Luisas Horizont viel, viel weiter. Und wie unterschiedlich wir unsere Kontakte pflegen. Ich habe gemerkt, dass ich die Menschen um mich herum sehr physisch brauche und sie sehr stark vermisse, wenn sie nicht da sind. Bei Luisas Freunden ist auch eine ganz große Nähe da, aber über eine räumliche Distanz hinweg. Und das habe ich schon auch – meine beste Freundin  aus Schulzeiten lebt mittlerweile in Kanada – aber das ist nochmal was anderes, weil ich sie erst persönlich kannte und dann gab es den räumlichen Wandel und bei Luisa ist es ja schon so, dass sie intensive Freundschaften hat, die sie im virtuellen Raum kennengelernt hat.

Katrin: Mit welchen fünf Eigenschaften würdet Ihr einander beschreiben?

Rebekka: [Luisa ist] gewitzt, nachtaktiv, stark, kreativ, facettenreich.

Luisa: Ich würde sagen, dass Rebekka ein sehr aufgeweckter Mensch ist, aber auch mit viel Humor. Ich glaube, sie ist sehr verständnisvoll. Ich weiß nicht, ob das eine Eigenschaft ist, aber ich glaube sie ist gut darin, Leute glücklich zu machen. Und sie wirkt auf mich sehr selbstbewusst. […] Nee, also mehr perfektionistisch als selbstbewusst. Sie versucht immer alles richtig gut hinzukriegen, wenn sie was gefunden hat, was ihr gefällt.

Katrin: Wie ist die Musik für Euer Hörspiel entstanden?

Luisa: Ich hab mir einfach ’ne Ukulele bestellt zwischendrin und hab dann gesagt, okay, ich such jetzt ein paar Akkorde raus, die ich schön finde. Eigentlich ist das Meiste über ausprobieren entstanden.

Rebekka: […] Und wir haben dann über Zoom immer wieder gejammt, haben zum Beispiel „Somewhere over the rainbow“ zusammen gespielt und sind dann auch ins Improvisieren gekommen. Luisa hat verschiedene Akkorde aneinandergereiht, bis sie eine Reihenfolge hatte, die sie spannend fand. Wir haben dann versucht das in einen rhythmischen Rahmen zu bringen, über den ich dann wieder mit der Geige improvisieren konnte oder mit der Stimme, mit Gesang. So haben wir das zusammengesetzt. Ich hatte dann die Basis von Luisa mit Akkordfolgen mit verschiedenen Loops oder ganz freies Geklimper, das sie aufgenommen hat und dann habe ich mir Melodien dazu ausgedacht und drübergelegt… Wir haben damit zusammen musiziert, ohne zusammen im Raum zu sein. Über Zoom ging das nämlich gar nicht gleichzeitig zu spielen, weil da immer eine Zeitverzögerung ist. […] Im Grunde haben wir unsere Ideen übereinander geschichtet.

Katrin: Was waren eure Lieblingsmomente in diesem Projekt?

Luisa: Huuuh, ich glaube, ich mag es, mich mitzuteilen und ich fand es dann ganz schön, so um drei Uhr morgens ’ne Sprachnachricht zu verschicken und ich weiß, dass sie angehört wird.

Rebekka: Einer meiner Lieblingsmomente war auf jeden Fall, als ich morgens aufgewacht bin und diese fantastische Nacht-Philosophie-Nachricht von Luisa auf dem Handy hatte, in der es um Umrisse geht und um Vorstellungen. Ich war absolut überwältigt. Und dann hat Luisa auch immer wieder so geniale Sachen rausgehauen: die pinken Glitzersteine oder dann der Lipgloss zum Beispiel.

Katrin: Was würdet Ihr beim nächsten Mal vielleicht anders machen?

Luisa: Naja, in dem Stück geht es ja darum, wie wir uns kennenlernen. Das könnten wir nicht nochmal machen.

Rebekka: Vielleicht fände ich es doch schön, sich beim nächsten Mal einfach irgendwo im Park zu treffen und gemeinsam Musik zu machen. Einerseits war es eine tolle Erfahrung, wenn man sich immer so Schicht für Schicht die Musik zuspielt, aber ich merke gerade, dass ich das so vermisse, und es natürlich auch ’ne Chance gewesen wäre, einfach zusammen im Park, Ukulele und Geige zu spielen und zu singen. Dann hat es aber doch wieder gepasst, weil wir gesagt haben, wir nehmen das jetzt als Spielmoment, dass wir uns nur übers Display kennenlernen. Und ich finde es jetzt, wenn ich mir die Sachen anhöre, auch faszinierend und bezaubernd, dass man es eben auch so schafft, zusammen Musik zu machen. Eine super spannende, zweischneidige Erfahrung.

Katrin: Was ist aus Eurer Perspektive das Besondere an DisPlay?

Rebekka: Das besondere ist in einer Zeit, in der eh vieles auf dem Kopf steht, einfach so ein bisschen die Perspektiven zu ändern. Zum einen das Display auch als künstlerisches Gestaltungs- und Spielmittel zu nehmen. Zum anderen finde ich auch so besonders, deine Idee, dass man das mal umtauscht: Kind oder Jugendlicher kommt und darf die Spielregeln aufstellen und wir haben dann den Rahmen, in dem wir uns als Profis bewegen.

Luisa: Ich meine, Rebekka und ich würden, wenn das Projekt mit den Corona-Einschränkungen nicht wäre, nie miteinander arbeiten. Deswegen finde ich das so interessant. Wir sind ja eigentlich zwei Menschen aus komplett verschiedenen Lebenssituationen und das ist dann irgendwie cool, dass wir zusammen arbeiten können.

 

Den Programmflyer findet Ihr hier: Mein Biorythmus ist relativ non-existent_Programmflyer

Besetzung:
Stimme & Geige / Ideen, Komposition & Schnitt: Rebekka Gebert
Stimme & Ukulele / Ideen, Komposition & Regie: Luisa Jung
Dramaturgie und Konzepttext, Gesamtdramaturgie DisPlay: Katrin Maiwald
Zeichnungen & Animation: Matteo Bohn


Zum kompletten Spielplan mit+abstand geht’s HIER.
BMFSFJ_2017_Office_Farbe_deDie Rechte liegen bei den Künstler*innen.
Die Projektreihe DisPlay wird finanziert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie aus Mitgliedsbeiträgen der ASSITEJ e.V. Deutschland.

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