Dänisch-deutsche Begegnung in Odense und Horsens – und im Schloss am See

von Meike Fechner

Wir sitzen im Zug auf dem Weg nach Aarhus und eine Teilnehmerin fragt: Wie hieß denn jetzt diese Veranstaltung eigentlich?
Die Frage lässt mich kurz innehalten und zurück blicken auf drei besondere Tage: Dieses Jahr ist ein Jahr der Absagen, der verschobenen Ereignisse und vertagten Begegnungen. Umso erstaunter sind alle Teilnehmer*innen des dänisch-deutschen Austauschs, dass alles wie geplant stattfindet: Performing Arts for Young Audiences in Denmark and Germany. Revisiting artistic traditions and re-inventing diverse futures.

Mittwoch: 16. September. Alle reisen an – aus Kopenhagen und Aarhus, aus Bochum, München und Freiburg. Alle haben noch bis gestern irgendwie ein bisschen gezweifelt, ob das wirklich wahr sein kann. Eine internationale Begegnung. Keine Verschiebung. Keine Reduzierung der Teilnehmer*innenzahl. Keine Absage.

Foto: Meike Fechner

Und hier sind wir nun: Dallund Slot. Ein kleines Tagungshaus an einem See. Ein alter Landsitz aus dem 16. Jahrhundert. Eine kleine Gruppe von 25 Leuten aus Dänemark und Deutschland.
Die Idee der Begegnung ist einfach: Um neue, intensive Kontakte zwischen Theatermacher*innen aus Dänemark und Deutschland zu schaffen, haben die ASSITEJ Zentren in Deutschland und Dänemark sowie das dänische Teatercentrum, das in seiner Struktur dem KJTZ ähnelt, Theatergruppen aus beiden Ländern zu einer intensiven Begegnung eingeladen. Geplant sind drei Tage zum Kennenlernen im geschützten Rahmen und anschließend gemeinsame Theaterbesuche und Gespräche beim Festival in Horsens.

22 Theater hatten sich für die Teilnahme beworben. Die Auswahl wurde so getroffen, dass ähnliche Interessen und Strukturen aufeinander treffen: in der Hoffnung, dass Grundlagen für zukünftige Kooperationen geschaffen werden können. Wichtig war die Begegnung künstlerischer Teams, die für junges Publikum arbeiten – egal ob textbasiert oder mit Tanz und Bewegung, egal ob für Babys und Kleinkinder oder Jugendliche.
Ermöglicht wird die Begegnung im Rahmen des dänisch-deutschen kulturellen Freundschaftsjahres mit Mitteln des Goethe-Instituts Dänemark, des Auswärtigen Amts, des Statens Kunstfond sowie dem International Cultural Panel / Kultur i Danmark.

Dabei sind Teater Hund und Theater im Marienbad, Gazart und Ceren Oran und ihr Team sowie det olske orkester und die Junge Bühne Bochum, die sich nicht nur vorstellen, sondern auch in kurzen, aber intensiven Arbeitsphasen zusammen arbeiten. Auch Hvit Støy und Teater Fluks präsentieren kurz ihre Arbeit.

Foto: Meike Fechner

Zurück zum Anfang: Alle kommen an und freuen sich auf die Begegnung, freuen sich über die schöne Umgebung, fragen, ob man wohl im See auch baden darf. Und dann kommt leider doch eine schlechte Nachricht: Das Horsens Teaterfestival wurde sehr kurzfristig komplett abgesagt. Trotz der intensiven Vorbereitung im Dialog mit Gesundheitsbehörden und Politik, Platzbeschränkungen an den Spielorten und uminszenierten Produktionen.
Die dänischen Kolleg*innen sind traurig und frustriert. Sie sind als mobile Theater abhängig von Gastspieleinnahmen. Eigentlich ist das Aprilfestival die wichtigste Verkaufsplattform des Jahres. Nach der Absage hatte das Festival in Horsens sich als Gastgeber angeboten. Statt eines kleinen kuratierten Festivals für das Publikum vor Ort wurde ein großes Programm für Veranstalter aus ganz Dänemark geplant. Der spätere Termin im September schien durchführbar trotz Pandemie. Die Absage zwei Tage vor der Eröffnung ist ein Tiefschlag und die Zukunft scheint ungewiss. Es gibt nur eine geringe Produktions- und Infrastrukturförderung. Die wichtigste Einnahmequelle ist die staatliche Gastspielförderung, die Gastspiele für junges Publikum mit 50 % subventioniert, aber Voraussetzung dafür sind natürlich Buchungen.

Wir, die Gäste aus Deutschland, fühlen mit und sind auch traurig, denn alle hatten sich auf das Fesitval und die Gespräche zu gemeinsamen Theatererlebnissen gefreut. Trotzdem: alle sind da, Bahn und Hotel sind gebucht, keine*r will früher zurück. Unsere dänischen Gastgeber, Henrik Køhler und Louis Valente, setzen alles daran, ein Alternativprogramm zu ermöglichen. Im Ergebnis sieht das so aus: Wir fahren am Freitag nicht nach Horsens, sondern zunächst nach Aarhus. Gruppe 38 spielt extra für uns eine Vorstellung von Jeg kan bedst li’ når du er her und führt uns durch die neue Spielstätte im Hafengelände. Anschließend geht es nicht in die schönen Cafés und Secondhandläden in der Stadt, sondern weiter nach Bjerre, wo das Teater Jaevn ebenfalls extra für uns eine Vorstellung spielt. Hier wurde ortsspezifisch gearbeitet, die Wände eines alten Gefängnisses zum Sprechen gebracht rund um die Frage nach dem Umgang mit Kollaborateuren.

Foto: Sophia Juliane Lydolph

Und bei einer dieser Zugfahrten kommt die Frage nach dem Titel der Veranstaltung. Performing Arts for Young Audiences in Denmark and Germany. Revisiting artistic traditions and re-inventing diverse futures. So klingt das im Förderantrag. Und in der Praxis haben wir genau das auch gemacht. Denn alle Gruppen haben in einer Pecha Kucha-Präsentation die Frage beantwortet, wer sie sind und woher sie kommen. Im Gespräch über ihre aktuellen Projekte und Fragestellungen ging es um den Ausblick, um neue Arten der Begegnung mit dem Publikum und mit Kolleg*innen, um Recherche und neue Formen, um die Auflösung von Genregrenzen, um Körper und Sprache. Der abstrakte Titel ist konkret geworden gerade im Sprechen über die theatrale Abstraktion für junges Publikum.

Dankbar für die Theatererlebnisse und Begegnungen erreichen wir am Abend Horsens. Am Samstag fahren die meisten noch einmal nach Kopenhagen, sehen eine Vorstellung im Teater Hund, schmieden weitere Pläne für Kooperationen in der Zukunft; andere fahren nach Aarhus ins Museum und spinnen Gedanken für den Probenbeginn in der kommenden Woche.

Foto: Sophia Juliane Lydolph

Die Gruppen haben schon viele Ideen für den weiteren Austausch, gemeinsame Recherchen, Festivalbesuche und das Ausloten gemeinsamer Interessen. Und die ASSITEJ Dänemark und die ASSITEJ Deutschland haben mehrere Aufträge: Den Austausch weiter begleiten, Begegnungen auch künftig ermöglichen, weiter denken an solchen kleinen Formaten, die ein intensives Kennenlernen ermöglichen, Teams zusammen bringen, Freiräume schaffen. Gastfreundschaft, Neugier und Optimismus sind die besten Voraussetzungen und die Kolleg*innen in Dänemark haben uns gezeigt, wie das aussehen kann. Danke!

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