Über Eisenacher ASSITEJ WERKSTATT: GENDER ON STAGE
von Anne Florin Kobusch, Christoph Macha und Judith Sünderhauf
Wie werden Geschlecht und Sexualität auf der Bühne dargestellt? Wer darf wen auf der Bühne spielen? Wer fehlt auf der Bühne? Wie können wir mit Theaterprojekten und Inszenierungen queere Menschen unterstützen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen haben sich rund 40 Teilnehmende zur ASSITEJ WERKSTATT am Landestheater Eisenach zum Themenkomplex GENDER ON STAGE Ende Mai 2023 getroffen und beschäftigt.
Der Tag begann mit einer Vorstellung von BROMANCE des Jungen Schauspiels am Landestheater Eisenach. In dem Text von Joachim Robbrecht um drei Jugendliche, die erste große Liebe, Freundschaft und (Geschlechter-)Normen, die sie umgeben, standen die Themen des Tages schon zu Beginn auf der Bühne: queere Narrative und Darstellungsformen jenseits des eigenen Geschlechts und die Frage nach der Performativität von dessen. Tim und Bo, zwei beste Freunde, leben in der “Provinz”, als Jonas aus der Großstadt zu ihnen trifft und sich eine Liebesgeschichte zwischen Tim und Jonas entwickelt, verändert sich die Dynamik ihrer Freundschaft. Eine Inszenierung voller Gefühlschaos, Liebe und Freundschaft. Nach der Vorstellung ging es für die Teilnehmenden bei strahlendem Wetter nach draußen. In einem Picknick-Gespräch mit Snacks und Fragenkatalog konnten sie in Zweiergruppen ihre Gedanken teilen und sich über das Gesehene austauschen.
Zurück im Theater ging es mit dem ersten Workshop weiter. Dabei stellten Stephan Mahn (freischaffender Theatermacher) und Angelika Andrzejewski (Leiterin des Jungen DNT am Deutschen Nationaltheater Weimar) unter aktiver Einbindung der Teilnehmenden die Arbeitsweise ihrer Produktion VON VÄTERN UND SÖHNEN vor. Das generationsübergreifende Theater-Projekt des Jungen DNT stellte sieben Väter, Söhne und Enkel von 20 von 72 auf die Bühne und ließ sie von Erinnerungen berichten, Wünsche und Ängste äußern und fragen: Was gebe ich gern an die nächste Generation weiter und was auf keinen Fall? Einige Methoden aus dem Probenprozess probierten die Teilnehmenden selbst aus. So wurde sich die Frage gestellt, welche Wünsche wir an unsere Väter haben.
Von “Ich wünsche mir, dass mein Vater weniger trinken würde“ zu “Ich wünsche mir, mit meinem Vater zu den Nordlichtern zu fahren“ war alles dabei. Anschließend hatte jede:r für sich Zeit zu reflektieren, wofür mensch seinem Vater dankbar ist. Zum Abschluss des Workshops hatten die Teilnehmenden in Kleingruppen in Form des Spiels “Ich packe meinen Koffer“ überlegt, was sie den Söhnen der Zukunft auf den Weg geben wollen. Auch ohne die Inszenierung zu kennen, erzeugten die Übungen ungeahnte Intimität zwischen den Teilnehmenden und stellten spannende Fragen in den Raum: Wie wichtig ist Intimität und Vertrauen in einem Ensemble bei der Behandlung von intergenerationalen und potentiell mit Trauma behafteten Themen? Wie können persönliche Erinnerungen oder z.B. ein “Brief an den Vater“ auf der Bühne vermittelt werden? Welche Männlichkeitsbilder liegen unserer Gesellschaft zugrunde?
Nach einer kleinen Mittagspause ging es weiter mit Impulsvorträgen von Jenny Schrödl (Proforessorin für Theaterwissenschaft an der FU Berlin) und Marguerite Windblut. Schrödl sprach über Geschlechterinszenierungen in den freien darstellenden Künsten. An mehreren Beispielen aus der Freien Szene erklärte sie wie Geschlecht entweder als Inszenierung oder Konstruktion (ganz nach Judith Butlers “Körperoberflächen“), als Zustand zwischen Fluidität und Stabilität oder Darstellung von Gender-Vielfalt und Intersektionalität auf der Bühne vorkommt.
Marguerite Windblut, die:der selbst als Theaterpädagog:in immer wieder versucht Orte für queere Menschen zu schaffen (z. B.: “QUEERTOWNS), teilte mit dem Text “Lost in Eisenach“ ihre:seine eigenen Erfahrungen, wie es ist als queere Person in Eisenach aufzuwachsen und plädierte an die Theater: “Spielt andere Geschichten, an die wir anknüpfen können!“.
Mit diesen vielen Impulsen zu dem riesigen Themenfeld konnten sich die Teilnehmenden nun noch ein letztes Mal gemeinsam austauschen. In sechs parallelen und wechselnden Tischgesprächen fanden Gespräche mit Expert:innen statt. Unter anderem zu dem Thema „Darstellung von Intimität auf der Bühne“ mit Magz Barrawasser (Regisseurin und Intimitätscoach) und den Produktionen „Bromance“, “Von Vätern und Söhnen” und „Porn, Porn, Porn“. Letzteres ist eine Inszenierung des Freien Eisenacher Theaters am Markt.
Ein langer Tag ging zu Ende. Mit einer Blitzlichtrunde als Rückblick der Werkstatt und als Ausblick endet dieser Bericht:
“Im Rückblick fanden wir es sehr gut, dass ganz, ganz viel über Beziehungen geredet wurde, ganz unterschiedlicher Art und Weise.”
“Ich hätte so ein Stück (wie “Bromance”) in meiner Jugend gebraucht.“
„Danke für das entspannte und aufschlussreiche Picknick in der Sonne.“
“(Wir wünschen uns) weniger Geschlechterklischees auf der Bühne und dass natürlich alle Menschen der Gesellschaft auf der Bühne abgebildet werden.”
Kommentare von Teilnehmenden
Die ASSITEJ WERKSTATT: GENDER ON STAGE – FACHTAG FÜR PÄDAGOG*INNEN
ZU LIEBE & SEXUALITÄTEN AUF DEN BÜHNEN DES JUNGEN THEATERS fand am 31.05.2023 am Landestheater Eisenach statt (Idee & Konzept: Angelika Andrzejewski & Christoph Macha). Eine Veranstaltung des Landestheaters Eisenach in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar. Mit Unterstützung des Arbeitskreis OST der Kinder- und Jugendtheater im Osten Deutschlands, der Initiative Junges Theater in Thüringen & dem Thüringer Schulportal. Die Veranstaltung wurde durch die ASSITEJ Deutschland finanziert.
Fotos: Anne Florin Kobusch



