UNRUHIG BLEIBEN – Möglichkeiten der Transformativen und Kulturellen Bildung [DE]

von Judith Sünderhauf

Die BKJ veranstaltete von September 2022 bis Juni 2023 eine 6-modulige Weiterbildung, die im Grundsatz Kulturelle Bildung als Akteurin des Wandels zu einem klima- und ressourcenbewussten Denken, das auch Gerechtigkeit im globalen Sinne miteinbezieht, behandelte. Die Ansätze des Globalen Lernens bieten dabei interessante Schnittstellen zur Kulturellen Bildung, die untersucht wurden. Nach Beendigung aller 6 Module, die ich als Stipendiatin der ASSITEJ besuchen durfte, folgt in diesem Text der Versuch eines Fazits. (Hier geht es zu meinem ersten Blog-Beitrag über die Weiterbildung „kreativ_transformativ“.

Die Arbeit ging weiter: die Weiterbildung der BKJ ging mit den Modulen 4-6 in die nächste Runde. Diese führten von der ökonomischen und der sozio-kulturellen Dimension der Nachhaltigkeit hin zur letzten Einheit – diesmal wieder in Präsenz in der Bundesakademie Wolfenbüttel – in der wir versuchten, den Bogen noch einmal zu spannen. Von Alternativen zum wirtschaftlichen Wachstum wie z.B. Buen vivir oder degrowth, hin zu Fragen nach Klassismus und sozialer Diversität innerhalb kultureller Projekte wurde die Weiterbildung zum Ende hin, auch auf Anregung der Teilnehmenden, immer praktischer. Besonders im 6 Modul arbeiteten wir uns zu Kultureller Bildung als transformative Bildung, angeleitet von Timo Holthoff und Axel Watzke von studiovorort, immer näher an konkrete Handlungsanweisungen für unsere Praxis heran.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass es im Querschnitt von Kultureller Bildung und globalem Lernen für mich immer wieder um drei Aspekte geht

1) die Auseinandersetzung mit dem Begriff Gerechtigkeit (in den verschiedenen Ebenen)

2) um das Anstoßen eines Prozesses grundlegender Denk- und Verhaltensmuster in der Bildungs- und Kulturarbeit


3) um das in die Wege leiten von konkreten und langfristigen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Dabei kann man sagen, dass situiertes Wissen[1] und die Herstellung von Selbstwirksamkeit in Form von konkreten Zielen dabei den Übergang von KuBi zu Globalem Lernen bildet. Es geht um gesellschaftlichen Wandel – Bildung in jeglicher Form hat in diesem Kontext also eine konkrete Funktion.

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So wie die Weiterbildung sich immer mehr hin zu praktischen Hinweisen bewegte, habe auch ich verstärkt nach Handlungsanweisungen für meine Praxis gesucht. Für mich, die vor allem nach den Zusammenhängen von Globalem Lernen und konkret der Theaterpädagogik bzw. im künstlerischen Arbeiten für und mit Kindern und Jugendlichen suchte, kristallisierten sich am Ende der Weiterbildung, und jetzt rückblickend aus dem Arbeitsalltag folgende praktische Mitbringsel aus der Qualifizierung heraus: 

  • Der Klimawandel (und wahrscheinlich auch andere sehr komplexe Krisen bzw. Themenkomplexe) lassen sich nicht ausschließlich auf der Faktenebene verstehen. Vor allem Emotionen wie Wut, Angst oder Überforderung sind Reaktionen, die man zulassen und begleiten muss. Dabei ist es als Multiplikator*in wichtig, darauf zu achten, emotionale Reaktionen (wie Überforderung oder Trauer) sowohl bei Teilnehmenden als auch bei sich selbst zuzulassen und darauf einzugehen. 
  • Dabei interessant ist zudem das Aushalten von Unbehaglichkeiten oder unterschiedlichen Ansichten – ganz nach Donna Haraway: “Staying with the Trouble”[2]. Unsicherheiten, Chaos, Lücken, aber auch unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze muss man aushalten, Irritationen müssen geschaffen werden, nur so können neue Orte entstehen.
  • Vulnerabilität, Verletzlichkeit und die Transparenz des Lehrenden auch auf seinen*ihren eigenen Lernprozess, bis hin zum Prinzip der Gleichheit der Intelligenzen[3] und die Auflösung des Machtverhältnisses ist dabei essentiell.
  • Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche, aber auch für erwachsene Begleitpersonen durch den Multiplikator*innen und die Institution sind dabei extrem wichtig.

Ein ganz direkter Praxisbezug ergab sich für mich direkt zu Beginn der aktuellen Spielzeit 2023-2024 am Landestheater Eisenach. Als Dramaturgin bin ich Teil des Regieteams der Uraufführung “Ameise auf Weltreise”, geschrieben von Franziska Werner, die als erste Premiere im Jungen Schauspiel den Klimawandel für alle ab 8 Jahren behandelt. Hauptfiguren sind nicht Menschen, sondern Tiere, die auf einer Reise durch die Welt verschiedenen extremen Wettersituationen und den Tieren, die davon beeinflusst sind, begegnen. Spannend daran ist der schon im Text angelegte Perspektivwechsel – nicht Erwachsene erklären den Kindern den Klimawandel. Die artenübergreifende Weltreise der Tiere beinhaltet keine hierarchisch angelegte Moral. Durch die Inszenierung hindurch werden verschiedene Emotionen und Haltungen zum Thema deutlich, die alle parallel zueinander existieren dürfen und sollen. 

An diesen Beispielen, aber an noch vielen weiteren Anknüpfungspunkten konnte ich mit der Weiterbildung kreativ_transformativ andocken und werde auch weiterhin noch Verbindungen ziehen können. Absolute Empfehlung!

Publikation zum GluKuBi Kompass

Publikation zu Theaterpädagogik & Globales Lernen


[1] Situiertes Wissen ist ein Gegenentwurf zu universellem und allgemeingültigem Wissen, hin zu Wissen, das kulturell und historisch bedingt und spezifisch in verschiedenen Situationen funktioniert. Wissen wird nicht aus seiner Umgebung getrennt, sondern verbleibt damit verbunden und darin verkörpert.

[2] ”staying with the trouble” ist ein Buch der amerikanischen Feministin und Naturhistorikerin Donna Haraway, das dazu anhält Unruhe zu stiften und in Verwandtschaft mit allen Arten zu gehen. 

[3] Dieser Begriff stammt aus Jacques Rancières „Der unwissende Lehrmeister“ und meint die Enthierachisierung der Rolle des Vermittelnden.

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