Im Dezember 2023 hat die Jury für den Deutschen Kindertheaterpreis und den Deutschen Jugendtheaterpreis ihre Arbeit aufgenommen und liest gegenwärtig die für die beiden Preise eingesandten Stücke. Wir haben die Juror*innen gebeten, sich kurz selbst vorzustellen und uns zu erzählen, was für sie ein gutes Theaterstück für junges Publikum ausmacht. Die Fotos zeigen die Mitglieder der Jury beim Lesen der Texte.

Julia-Huda Nahas

Ich habe Kulturpädagogik studiert, bevor ich als „WESTWIND-Nextie“ das erste Mal so richtig in das Theater für junges Publikum eintauchen durfte. Ein paar Regieassistenzjahre später führte eine Festivaleinladung mich und die Inszenierung meines eigenen Stückes zurück in eine Szene, die mich nicht mehr loslässt. Ich habe seitdem mit und für viele Zielgruppen gearbeitet. An städtischen Bühnen, in freien Projekten, als Regisseurin, Autorin, Kulturpädagogin – und kann sagen: Hier fühle ich mich wohl, hier möchte ich arbeiten. Gerne im Team, am liebsten als Grenzgängerin, immer aus Überzeugung.

Was macht ein gutes Theaterstück für junges Publikum aus?

Im KJT nicht anders, als dort wo nur für Erwachsene produziert wird. Ich möchte interessiert und neugierig, gefesselt und geschockt sein. Ich möchte einer Geschichte folgen, nur um mich in der Fläche zu verlieren. Ich wünsche mir Sprache, die inkludiert. Eigentlich wünsche ich mir sowieso mehr als eine Sprache. Ich sehne mich nach Repräsentation, die nicht verheizt, nach Ideen, die inspirieren und nach Themen die mehr können als Reproduktion. Aber vor allem wünsche ich mir, dass wir alle verstehen, dass diese Bewertung nicht nur im Auge, sondern auch im Herzen der Betrachtenden liegt.

Iwona Nowacka

Ich bin Übersetzerin von deutschsprachigen Texten für junges wie auch älteres Publikum ins Polnische. Außerdem bin ich als Kuratorin für diverse Veranstaltungen tätig, u.a. bei dem Festival der deutschsprachigen Dramatik für Jugendliche am Teatr Dramatyczny in Wałbrzych. Im Moment gestalte ich das internationale Programm des Biennale Sztuki dla Dziecka in Poznan mit. Ich war u.a. Jurymitglied bei dem Festival Westwind in Bonn (2023), KinderStücke in Mülheim (2017), Wildwechsel in Dresden (2017) und Teil der internationalen Auswahljury von AUGENBLICK MAL! (2019). Ich bin freischaffend und wohne in Szczecin (Polen).

Was macht ein gutes Theaterstück für junges Publikum aus?

Ein gutes Stück macht die Kombination aus einer präzise gebauten dramaturgischen Struktur und einem interessanten, vielleicht auch überraschenden Inhalt aus. Für mich als Übersetzerin steht natürlich die Sprache stark im Vordergrund. Aber ich suche beim Lesen auch nach interessanten oder sogar bahnbrechenden Lösungen, was die Form betrifft. Ein gutes Stück muss diskriminierungsarm sein, wie auch Diversitäts- und Repräsentationsfragen sensibel behandeln. Wichtig ist nicht nur, welche Figuren und Themen dargestellt werden, sondern auch wie und in welchen Konstellationen sie auftreten. Didaktisches hat dagegen in einem guten Stück für junges Publikum nichts zu suchen. Genauso wenig wie in einem guten Stück für „altes“ Publikum.

Lena Riemer

Ich bin Studentin (am Deutschen Literaturinstitut Leipzig), Schriftstellerin (ja, ich schreibe auch Szenisches) und am Kinder- und Jugendtheater eigentlich erst interessiert, seit ich erwachsen bin. Wahrscheinlicher Grund: Einen richtigen Zugang zum jungen Theater habe ich erst durch das AUGENBLICK MAL! Festival 2023 bekommen, welches ich als Teil der Vertretung für junge Perspektiven begleiten durfte. Mittlerweile bin ich großer Fan – hoffe aber trotzdem, dass das junge Theater in der Zukunft noch intensiver für und mit seinem Zielpublikum arbeiten wird.

Was macht ein gutes Theaterstück für junges Publikum aus?

Ein gutes Theaterstück für junges Publikum braucht für mich eine gewisse Augenhöhe. Ein gutes Stück sagt: Euch bewegt dieses Thema, cool, mich bewegt das auch! Lasst uns darüber sprechen! Ein gutes Stück will herausstechen, obwohl seine Kategorie leider meist noch übersehen wird. Ein gutes Stück ist Forderung, manchmal im ersten Moment auch Überforderung. Und ein extrem gutes Stück macht einfach richtig, richtig Lust, bald nochmal ins Theater zu gehen.

Thomas Stumpp

Mein Name ist Thomas Stumpp. Ich habe nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft und Germanistischen Mediävistik sowie einigen Hospitanzen und Assistenzen bei den Ludwigsburger Festspielen und einem kleinen Stuttgarter Privattheater gearbeitet, ehe ich zum Goethe-Institut kam. Hier kümmere ich mich seit über 30 Jahren schwerpunktmäßig um die internationalen Theaterprojekte für junges Publikum, organisiere und gebe Fortbildungen für Kolleg*innen und berate die Institute im Ausland wie auch die Auslandsvertretungen in allen diesbezüglichen Fragen.

Was macht ein gutes Theaterstück für junges Publikum aus?

Nimmt seine Zuschauer*innen ernst, belehrt nicht und fordert, ohne zu überfordern, oder gar zu langweilen. Sprachlich biedert es sich nicht an, imitiert nicht die Sprache des Zielpublikums, sondern formt sprachlich, schafft auch bei Einsatz von Slang eine Ebene, die die Figuren charakterisiert. Das Sujet ist formal wie dramaturgisch gestaltet, egal ob es eine Geschichte erzählen möchte oder ausschließlich auf ästhetische Erfahrung setzt. Es verlangt zwingend eine Umsetzung auf der Bühne und bietet kreative Spielanlässe für Schauspielende und die Regie.

Gerd Taube

Ich leite seit 1997 das Kinder- und Jugendtheaterzentrum (KJTZ) und verantworte seit 1998 als Projektleiter die Vergabe des vom Bundesjugendministerium ausgelobten Deutschen Kindertheaterpreises und des Deutschen Jugendtheaterpreises. Als Mitglied der Jury für die beiden Preise habe ich in dieser Zeit sicherlich über eintausend Stücke des Theaters für junges Publikum gelesen und werde 2024 mit meinen Kolleginnen im KJTZ zum 14. Mal die Preisverleihung organisieren. Die beiden Preise werden im November 2024 zum 15. Mal verliehen.

Was macht ein gutes Theaterstück für junges Publikum aus?

Ein gutes Theaterstück für junges Publikum trifft sprachlich den richtigen Ton, damit sich Kinder und Jugendliche auf die erzählten Geschichten einlassen. Die Themen der Stücke sind relevant für die jungen Zuschauer*innen und beziehen sich auf ihre Lebenswirklichkeit in Elternhaus, Schule, Freundeskreis und Gesellschaft. Gute Theaterstücke für junge Zuschauer*innen zeigen starke Figuren, die Kinder und Jugendliche empowern und Partei für das Schicksal von Schwachen, Marginalisierten und Außenseiter*innen ergreifen.

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Aufnahme aller Fotos: privat