Den ländlichen Raum als Kulturraum denken

Flux – Theater und Schule in Hessen unterwegs, hervorgegangen aus einem Modellprojekt der ASSITEJ e.V.,  präsentierte am 25. November 2016  in Bad Orb vier Künstlerresidenzen im ländlichen Raum. Projektleiterin Ilona Sauer lud zum Auftakt dazu ein, den Blick auf den ländlichen Raum zu verändern. Es gehe nicht um Mangel und Defizit, sondern um Anknüpfungspunkte, gemeinsame Forschungsfragen und neue künstlerische Herangehensweisen. Auszüge aus ihrem Impuls sind hier nachzulesen: 

Ländliche Räume werden vor allem unter dem „Paradigma der Schrumpfung“ diskutiert, so Gerhard Mahnken in seinem Beitrag in den „Kulturpolitischen Mitteilungen“ (Nr. 151/ IV 2015). Sie seien daher negativ konnotiert eher als „Schicksalsraum“ über welchem das „Damoklesschwert der Abwicklung schwebe“. Er setzt dieser Beschreibung den Begriff der Kulturlandschaft entgegen, die ein kollektiver Anker für kulturelle Laien und Künstler sowie die Politik sein könne. Building Communities ist das Schlagwort, das den Begriff audience developement in der kulturpolitischen Diskussion ersetzt. Es wird die Frage danach gestellt, wie aus Konsumenten von Kultur Mitgestalter werden können und wie man durch die Schaffung von lebendigen Netzwerken, die sich nicht nur auf kulturelle Aktivitäten beschränken, die Akteure vor Ort einbeziehen kann. Die notwendigen Transformationen werden in diesem kulturpolitischen Ansatz als partizipative Prozesse gedacht, die die Menschen in der Gemeinde durch kulturelle Ermächtigungs- und Selbstermächtigungsprozesse befähigen, sich an gesellschaftlichen Entwicklungen zu beteiligen. Neue Arenen der Aushandlung könnten in diesen regionalen Kulturlandschaften geschaffen werden, denn Politik könne von dem Wissen und den Netzwerkstrukturen der Künstler profitieren. Kulturakteure im ländlichen Raum seien daher potentielle Politikberater. […]

Flux, das von Beginn an einen starken Fokus auf den ländlichen Raum hat, wurde von den politisch Verantwortlichen im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst hier eine Vorreiterrolle zugeschrieben. Inzwischen liegen Erfahrungen aus Residenzprojekten in acht Gemeinden vor. Durchgeführt wurden sie in Leerständen, im öffentlichen Raum und an einem bereits etablierten Veranstaltungsort. Die Ausgangsbedingungen waren immer unterschiedlich, wenngleich es an den Projektorten viele Gemeinsamkeiten gibt: Kultur soll möglichst wenig kosten. In den meisten Gemeinden gibt es zahlreiche Leerstände. Es wird oft wenig für Kinder und Jugendliche getan und viele Gemeinden sind mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur überaltert. Von lebendiger und zeitgemäßer Kulturarbeit seien viele ländliche Räume weit entfernt, schreibt Beate Kegler, die Kulturarbeit im ländlichen Raum in Niedersachsen und Hessen beforschte. Dennoch existiert der ländliche Raum nicht als homogene Kategorie.

Deutlich wird: Will man vor Ort etwas entwickeln, muss man auf die vorhandenen Strukturen Bezug nehmen. […] Martha Muchow definierte bereits in den 1930er Jahren den Lebensraum als Wechselwirkung von Menschen, Räumen und Aneignungsformen und den Lebensraum der Kinder als einen, den das Kind „umlebt“ und dabei verändert. Wie „umleben“ Kinder und natürlich auch die Erwachsenen heutzutage ihre Kleinstadt oder ihr Dorf?

 

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