Ein Beitrag von Hannah Antkowiak – Stipendiatin, Studentin des M.A. Konzert- und Musiktheaterdramaturgie, Folkwang Universität der Künste
Experimentierraum, was passiert dort? – Diese Eingangsfrage ist nie in Worten erklärt worden, unausgesprochener Tagesgrundsatz war: Einfach Tun!
Dieses Tun wuchs in drei Schritten nach weit offener Anleitung:
- Einen Ausschnitt unserer Umwelt finden, sehen, wahrnehmen, hören, assoziieren. Diesen Ausschnitt klanglich inszenieren.Wir suchen uns ein Bild, das wir in einem Blick erkennen und wahrnehmen können, einen fest definierten Ausschnitt. Was hören wir, was könnten wir hören, wie verknüpfen wir uns selbst als Menschen klanglich mit unserer Umwelt?
- Bild und Klang abstrahieren, weg vom klar erkennbaren Umweltgeräusch über Emotion, Assoziation, Symmetrie zum reinen Klang. Dazu die grafische Notation dessen. Wie können wir eine Szenerie; Bild, Klang und Gefühl in reinen Klang verwandeln, transportieren, transponieren und mit uns nehmen. Was macht die Inszenierung des Moments aus? Wie notieren wir, wie dieser Klang entsteht, ohne bloß mit Worten zu beschreiben? Wie wird Abstraktion notiert?
- Interpretation einer fremden Partitur – Nachdem eine Inszenierung in ihrem Originalzustand und in ihrer Abstraktion gehört wurde, steht die grafische Partitur als Kunstwerk für sich, es gibt eine Ausstellung mit Auswahlmöglichkeit. Können wir, immer noch als die gleiche Gruppe, eine gesehene und gehörte, also in der Entstehung beobachtete Partitur neu interpretieren? Wir können. Und wir können vollkommen neue Werke dadurch erschaffen.
Wir haben unbewusst über uns gelernt: Übersetzung und Abstraktion. Nicht mehr die Möwe nachzuahmen, sondern ihren Klang, das Gefühl, dass sie auslöst und mit sich trägt, zeigen zu können. Gelassenheit im künstlerischen Prozess zuzulassen. Kollektivarbeit ist nicht gleichzusetzen mit Konsens, sondern eine Frage nach dem Umgang mit den ästhetischen Bedürfnissen eines jeden Einzelnen in der Gruppe. Jede Entscheidung, die wir, die ich in meinem Schaffen treffe, ist eine ästhetische Entscheidung. Der (wenn auch aus naheliegenden Gründen stark verkürzte) künstlerische Prozess, in dem wir uns während der Zeit im Experimentierraum befanden, war auch stark ein Gruppenprozess, ein sozialer Experimentierraum. Das einzige, was fehlte war Zeit, Zeit, Zeit.
Auch ohne vorherigen Zeitplan, ohne TOP-Liste, ohne schrittweise Anleitung habe ich mich den ganzen Tag gut aufgehoben gefühlt, sicher im Tun und lediglich von all den Eindrücken und Ideen überwältigt. Es bleibt, gemeinsam mit einer Fülle Performance-Material nur die Frage: Wie setze ich diese Fülle im Alltag um. Mit Kindern und Jugendlichen oder im starren Korsett der Institutionen? Wie bringe ich diese Ideen in einem Hochschulkontext unter, in der Lehre? Wie bringe ich diese Ideen in mir unter, wenn ich mich durch meinen Alltag bewege?