Zur Eröffnung des Kraftwerk Mitte in Dresden

 

Festlich wurde am Abend des 16. Dezember 2016 das Kraftwerk Mitte in Dresden eröffnet. Kaum zu glauben, dass alles pünktlich fertig geworden ist. Mit dem tjg. heater junge generation und der Staatsoperette sind zwei zentrale Kulturakteure der sächsischen Landeshauptstadt nun gemeinsam mitten in der Stadt verortet und produzieren Kunst als Energie für Stadt und Region. Der Hildesheimer Kulturwissenschaftler, Wolfgang Schneider, Vorsitzender der ASSITEJ, hielt den Festvortrag und sagte über die Darstellenden Künste als kulturpolitisches Kraftwerk, dass sie gerade diese Nähe zu ihrem Publikum brauchen. Zugleich skizzierte er, was es nach 25 Jahren Kraftwerk Mitte zu feiern geben könnte und sollte – mit dem entsprechenden kulturpolitischen Rückhalt:

„…Das Theater, das sich von seinem Zuschauer trennt, verliert seinen Stil und mit ihm seine Daseinsberechtigung. – Aber, wenn jedes Theater nur bei Anwesenheit seines Zuschauers leben kann, so hat auch jede größere gleichaltrige Gruppe das Recht auf das ihm gemäße Theater. Ein solches Recht muss man auch Kindern und Jugendlichen zugestehen. …“ (Alexander Brjanzew)
[…] Was wäre, wenn Sie, die Gesellschaft, insbesondere der ästhetischen Bildung, eine Chance gäben? Was wäre, wenn die Visionen von heute Praxis würden? Was wäre dann, wenn das „Kraftwerk Mitte“ sein 25. Jubiläum feiern und dann auf das Geleistete zurückblicken könnte? […] Beispielhaft will ich kurz beschreiben, was sich bis 2041 auf den Baustellen der ästhetischen Bildung getan haben könnte:
Ja, es gibt das Schulfach Ästhetische Bildung; ja, es gibt die Kulturschule; ja, es gibt die kulturelle Schulreform. Mitten in den Schulzentren gibt es ein Gebäude, das räumlich, zeitlich, vor allem aber curricular das zentrale Profil der Bildungsanstalt markiert: Ein Labor der Künste, eine Werkstatt zum Ausprobieren, ein Hort des Experimentierens mit Farben und Formen. Was früher in so genannten Arbeitsgemeinschaften eher nachmittags mehr schlecht als recht angeboten wurde, ist nun ganztags dem handwerklichen Wirken zugänglich. Ein Theater, eine Black Box, eine Probebühne, die rund um die Uhr alle zum Theaterspiel einlädt. Manche heißen „Proletarisches Kindertheater“ und erinnern an ein Programm des Philosophen Walter Benjamin; andere nennen sich „Erich Kästners Kindertheaterhaus“ und nehmen Bezug auf ein Modell des Schriftstellers, das die Darstellenden Künste als Erfahrungsspielraum beschreibt. Das alles ist möglich, weil die Idee von Schule überdacht wurde. Und nach dem großen Aufräumen der Stundentafeln gibt es jetzt Projektwochen, das ganze Jahr, mit Künstlern in der Schule und in vielfältiger Kooperation mit den Kultureinrichtungen wie zum Beispiel der Staatsoperette und dem Theater junge Generation.
Aus diesem Kraftwerk entwickelte sich ein vielfältiges Theaterkombinat, mit dezentralen theatralen Einsatzkommandos außerhalb der Stadt, die früher so genannten Freien Gruppen sind integraler Bestandteil einer Theaterlandschaft. Es gibt vor allem interdisziplinäre Projekte, die eine klassische Trennung nach Schauspiel und Puppen sowie Tanz- und Musiktheater überflüssig machen. Zentraler Arbeitsbereich ist die ästhetische Bildung, nicht mehr Appendix als Theaterpädagogik, sondern Konzeption eines jeden Projekts. Denn die Teilhabe ist wichtigste Kategorie des künstlerischen Schaffens geworden. Es gibt also viel Kraftwerke, weil viel mehr partizipieren. Mehr Theater für mehr Menschen.
[…] Dazu gehört eine konzeptionelle Kulturpolitik, die sich nicht nur von Haushalt zu Haushalt hangelt, sondern die durch Kulturentwicklungsplanungen weiß, wo sie hin will und dies als gemeinsamen Auftrag von Staat und Zivilgesellschaft umzusetzen versucht. Prioritäten in der Politik entscheiden über Qualität und Quantität der Bildungsrepublik Deutschland. Und dafür braucht es ein Kraftwerk in der Mitte des Geschehens, Kunstwerke des Theaters, so wie das hier in Dresden seit Jahrzehnten versucht wird.
[…] Jetzt müssen alle die neue Adresse kennen lernen. Und ich wünsche den Künstlern die Kraft, weiter Werke zu schaffen, Kultur für alle zu ermöglichen, solange Legislative und Exekutive, Stadt und Land, Hand in Hand die Entwicklung der Theaterkunst mit allen Mitteln möglich machen. Die Darstellenden Künste als Spiel und Spiegel der Gesellschaft, das erfordert Zuspruch und macht Zwang obsolet. Glück auf!

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