In einem Online-Event, das live über YouTube verfolgt werden konnte, sind am Abend des 12. November 2020 die beiden wichtigsten deutschen Staatspreise für dramatische Literatur für Kinder und Jugendliche verliehen worden, die mit jeweils 10.000 Euro dotiert sind.
Wegen der geltenden Corona-Beschränkungen konnte die ursprünglich im Kaisersaal des Frankfurter Römers geplante Verleihung des Deutschen Kindertheaterpreises 2020 und des Deutschen Jugendtheaterpreises 2020 sowie der Sonderpreise nicht vor Ort stattfinden und musste in den digitalen Raum verlegt werden.
Den Deutschen Kindertheaterpreis 2020 erhält Theo Fransz (Niederlande) mit seinem Stück „Liebe Grüße“ … oder Wohin das Leben fällt, aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann (Theaterstückverlag Korn-Wimmer, München).
Der Deutsche Jugendtheaterpreis 2020 geht an Rabiah Hussain (Großbritannien) mit ihrem Stück Absprung (Spun), aus dem Englischen von Cornelia Enger (henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag, Berlin).
In der Laudatio auf Theo Fransz und seine Übersetzerin stellt Juror Thomas Stumpp fest:
„In einem raffinierten Wechsel-Spiel der Protagonist*innen aus Vergangenheit und Gegenwart entwickelt der Autor eine berührende Familiengeschichte über drei Generationen. Die Jury würdigt den poetischen Realismus, mit dem Theo Fransz generationenübergreifende Beziehungen von Vätern zu ihren Kindern sinnfällig auf die Bühne bringt und dabei durch die kluge Verschränkung verschiedener Zeitebenen eine Realität schafft, wie sie nur auf der Bühne stattfinden kann.“
Jurorin Petra Fischer sagt in ihrer Laudatio auf Rabiah Hussain und ihre Übersetzerin:
„Rabiah Hussain hat Konflikte unserer Tage in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären eingefangen, zeichnet ein Portrait post-migrantischer Alltagsrealität und weist darüber hinaus. Der Autorin gelingen glaubwürdige, überzeugende, vielschichtige Figuren. Dadurch wird das Stück auch zu eine Herausforderung für das Theater: zwei große Rollen für zwei Schauspielerinnen, die in der Vielfalt ihrer Darstellungsmittel gefragt sind, um das Publikum zu berühren – mit einer Geschichte, in der sich jede und jeder wiederfindet, ob man in diesen Abnabelungsprozessen mitten drinsteckt oder ob man auf diese zurückblickt und weiß, dass es Absprünge immer wieder braucht im Leben.“
Die Jury hat zudem drei Sonderpreise für Studierende des Szenischen Schreibens verliehen. Die Preise gingen an Katharina Kern (Studiengang Literarisches Schreiben an der Universität Leipzig) für ihr Stück Bis sie verschwinden im reifen Weizen, Ivana Sokola (Studiengang Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin) für ihr Stück Kill Baby und Lisa Wentz (Studiengang Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin) für ihr Stück Aschewolken.
Die Jurorinnen Dr. Caroline Heinemann und Stanislava Jević-Schumacher würdigen die Leistungen der jungen Preisträgerinnen:
„Freundschaft, Armut, Mobbing, ungewollte Schwangerschaft, die drei Nachwuchsautorinnen Katharina Kern, Ivana Sokola und Lisa Wentz nehmen sich der großen, schmerzhaften Themen der Adoleszenz an. In präzisen Dialogen, dramaturgisch klug konstruierten Szenenfolgen und poetischer Sprache findet jede Autorin ihren eigenen Weg, eindringlich und überzeugend von jungen Figuren, ihren Lebenswelten und unserer Gegenwart zu erzählen.“
Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wandte sich in einer Videobotschaft an die Gäste der Online-Preisverleihung:
„Es ist gut, dass wir trotz dieser besonderen Zeit daran festhalten, Autorinnen und Autoren auszuzeichnen, die sich mit ihren Stücken um das Theater für junges Publikum verdient gemacht haben. Dass diese Preisverleihung in Corona-Zeiten stattfindet, ist ein wichtiges Signal! Wir sagen: Kunst ist für junge Menschen wichtig! Wir würdigen die Arbeit der Autorinnen und Autoren und wir bedanken uns bei all den vielen engagierten Theatern, die für ihr junges Publikum da sein wollen und jede Chance nutzen, um aufzutreten. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement, für Ihr Verständnis, für Ihre Solidarität und ich danke allen, die mitgeholfen haben, die Preisverleihung zu ermöglichen. Allen voran der Stadt Frankfurt am Main, der Preisjury und dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum.“
Zuvor hatte Frankfurts Kulturdezernentin, Dr. Ina Hartwig, die live zugeschaltet war, die Gäste begrüßt und im Hinblick auf die Pläne für ein eigenständiges Kinder- und Jugendtheater im Zoo-Gesellschaftshaus in Frankfurt am Main betont:
„Wir planen ein Theater für junges Publikum, das künstlerisch und inhaltlich auf der Höhe der Zeit ist. Ein Theater, in dem die vielfältigen ästhetischen Ausdrucksformen der Theaterkunst Raum haben. Ein Theater, in dem auch die Autorinnen und Autoren unverzichtbar sind. Theater für junges Publikum ist ein Theater, das zeigt, was ist. Ein Theater, das Mut macht, sich der Realität mit Selbstbewusstsein und persönlicher Stärke zu stellen und daran zu wachsen. Und somit etwas, was wir gerade aktuell mehr denn je brauchen und demnach unterstützen müssen.“
Die Online-Preisverleihung wurde im Rahmen des Frankfurter Forum Junges Theater 2020 veranstaltet, das vom 12. bis 14. November unter dem Titel stadt+finden ebenfalls im digitalen Raum durchgeführt wird.
Die Staatspreise für dramatische Kinder- und Jugendliteratur werden alle zwei Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergeben. Das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland (KJTZ) ist mit der Durchführung des Auswahlverfahrens und der Preisverleihung beauftragt.