Mut zum Theater

Erlebnisbericht vom KUSS-Festival 2023 von Cynthia Abel

Das Hessische Landestheater Marburg richtete zum 26. Mal das Kinder- und Jugendtheaterfestival KUSS! Theater sehen! Theater spielen! vom 19. bis 25. März 2023 im Theater am Schwanhof aus.

Eröffnung vor dem HLTM

„Cynthia Abel. Stipendiat*in“ steht auf dem Namensschild, das mir am Eröffnungstags des Kinder- und Jugendtheaterfestivals KUSS Theater sehen! Theater spielen! am Hessischen Landestheater Marburg herzlich vom Festivalteam ausgehändigt wird. Eine Woche Festivalprogramm mit insgesamt 17 Stückbesuchen und darauf aufbauende Nachgespräche, Fortbildungen und Arbeitstreffen liegt vor mir. Die einzelnen Vorstellungen sind auf vier unterschiedliche Spielstätten verteilt, behandeln Themen wie beispielsweise Kinderarbeit, Krieg und Umweltkatastrophe, Albträumen und Angst hin zu Freiheit, Grenzen überwinden, Gemeinschaft und Entschleunigung. Tanz, Schauspiel, Musik- und Figurentheater, spartenüberschreitende Formen, alles ist dabei. Das Programm zeigt sich so vielfältig wie sein Publikum, das von Tag zu Tag das Foyer und Festivalgelände neu füllt. Das KUSS-Festival ist in diesem Jahr ein regionales, aber auch internationales Festival. Marburger Schulklassen und landesweite Theatergruppen, sowie internationale Gäste sind auf der Bühne zu sehen und auf dem Festivalgelände in sehr angenehmer freundlicher Atmosphäre zu sprechen. Ein gemeinsames Interesse überwindet Sprach- und Altersgrenzen: Die Begeisterung für Theater.

Das Next-Generation-Stipendium baut für mich als Studierende eine finanzielle Barriere ab und ermöglicht mir so die Teilnahme am Festival. Zwei Erwartungen bringe ich mit: zu networken und Grenzen zu spüren. Beides gelingt mir während des Aufenthalts überraschend gut – zu bekannten Namen aus dem ASSITEJ-Kontext habe ich auf einmal Gesichter und Gesprächspartner*innen auf Augenhöhe, die sehr an meiner „jugendlichen“ Perspektive für ihre praktische Theaterarbeit interessiert sind. Ich sehe mich mit vielen unterschiedlichen Emotionen konfrontiert und bin erstaunt über verschiedenen Wahrnehmungen und Bewertungskriterien im Austausch mit meinen Gesprächspartner*innen nach den Stückbesuchen. Grundlegende Überlegung dazu ist folglich: Fühle ich mich als Teil des jungen (Ziel-)Publikums angesprochen?

Diese Frage beschäftigt mich, seitdem ich angefangen habe, fachspezifisch zu meinem Studium als Praktikantin für das KJTZ und das Frankfurter Forum Junges Theater zu arbeiten. Die Impulsivität der Kinder bei den Theaterbesuchen beeindruckt mich enorm – sie springen auf, klatschen, rufen dazwischen, äußern ihren Unmut oder ihre Freude, drängen auf die Bühne und gestalten den Theaterraum dadurch mit. Eine (un)erwünschte Störung? Was darf Kinder- und Jugendtheater, was „Theater für Erwachsene“ vermeintlich nicht darf? Die stetige Neuverhandlung der Spielästhetik ist ebenso Teil von Theaterarbeit für junges Publikum wie die pädagogische Begleitung (was hier am Theaterhaus in Marburg stark fokussiert wird) und die Öffnung des Raums für den Dialog auf und außerhalb der Bühne. In mir kommen vermehrt Fragen zur eigenen Identität und zu meinen Theaterkonventionen auf, die mich über das Festival hinaus in meinem Weg in die Theaterarbeit begleiten werden. Bei allem spüre ich meine eigene Rolle sehr deutlich: Die beobachtende Theaterwissenschaftlerin. Ich wünsche mir insgeheim, die Freiheit des Theaterspieltriebs der Kinder ebenfalls ohne Hemmungen umsetzen zu können. Einer der anderen Stipendiaten trifft es für mich sehr schön auf den Punkt: Sind wir im Herzen nicht alle Kinder? Ich denke viel nach über meine Wahrnehmung von Räumen und Körpern (beispielsweise während Felix Berners Performance Ikarus von tanzmainz, der Tanzsparte vom Staatstheater Mainz) und die damit verbundenen Partizipationsmöglichkeiten des Publikums (beispielsweise in der interaktiven Musik-Theater-Performance Splash! vom Theater Marabu). Und über meine eigenen privilegierten Status, hier sein zu können. Letztgenannte Inszenierung wurde übrigens auch mit dem Kuss, dem Festivalpreis des Freundeskreises des Theaters, lobend am letzten Festivaltag ausgezeichnet.

Dekoration & Programmflyer in den Spielzeitfarben des HLTM

Die parallelen Sinneseindrücke während des Aufenthalts waren für mich sehr intensiv auf mehreren Ebenen. Wo liegt meine eigene Aufmerksamkeit? Wie verhalte ich mich im Theater? Das Festivalteam und die Leitung haben uns herzlich aufgenommen und durch das Mentor*innenprogramm Einblicke in die Struktur und Philosophie des Hauses verschafft. Eine Einladung für das kommende Jahr wurde bereits wieder ausgesprochen, gemäß dem Motto: „Nach dem KUSS ist vor dem KUSS“. Was ich mitnehme: Mut zum Theater.

Cynthia Abel studiert im Bachelor of Arts Theaterwissenschaft in Mainz. Nach einem studienbegleitenden Praktikum 2021/22 im KJTZ arbeitet sie auf Minijob-Basis als Assistenz der Geschäftsleitung der ASSITEJ e.V. in Frankfurt weiter. Sie hat dieses Jahr am Next-Generation-Stipendiat*innen-Programm des KUSS-Festivals vom HLTM teilgenommen.

Fotos: Cynthia Abel

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