„Erschöpft aber glücklich sind wir gestern von unserer viertätigen Begegnung mit den polnischen Theaterfreunden im schlesischen Walbrzych zurückgekehrt. Das Theater der ehemaligen Bergarbeiterstadt am Rande des Riesengebirges hatte seine „15. Tage der Dramatik“ dem „Jugendtheater aus Deutschland“ gewidmet und zum Teil seines 50-jährigen Jubiläums gemacht. Die Autorin Daniela Dröscher und ihre Kollegen Carsten Brandau und Michael Müller sowie die Dresdner Chefdramaturgin Dr. Kathi Loch, die Theaterpädagogin Barbara Kantel und ich referierten und diskutierten über die Vielfalt unserer Theaterlandschaft für Jugendliche. Wir schauten zurück, wie alles bei uns mit dem Jugendtheater begonnen hat, wir blickten nach vorne, welche Strukturen und künstlerischen Impulse für solch ein „Junges Theater“ notwendig sind und wir zeigten mit Stücklesungen, bewegten Bildern oder Programmschriften Beispiele aus der aktuellen Arbeit der Theater.
Ziel all dessen war und ist es, jene Kolleginnen und Kollegen aus Polen, die erste Aktivitäten auf dem Gebiet des Jugendtheaters unternehmen, zu unterstützen und Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zu suchen. Und diese Impulse wurden dankbar aufgenommen, sowohl von künstlerischen Leitern einzelner Theater, von den Vertreterinnen des polnischen Verbandes der Theaterpädgogen und von interessiert teilnehmenden Schauspielern. Auch Jugendliche aus der Stadt und Region nahmen an den Gesprächen teil, folgten mit großer Aufmerksamkeit den drei szenischen Lesungen der Stücke „Filmriss“ von Tina Müller, „Als wäre ich Papier“ von Daniela Dröscher und „Plötzlich aus der Welt gefallen“ von Michael Müller. Diese lebendig präsentierten Beispiele von deutschem Jugendtheater mit anschließenden lebhaft geführten Gesprächen bildeten das Herzstück der Veranstaltung.
Ein kurzer Rückblick: Vor knapp einem Jahr kam die Übersetzerin und Kulturmanagerin Iwona Nowacka (Stettin) auf mich zu und erzählte von ihrer Idee, dem Jugendtheater auch in Polen zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Dazu würde sie gerne exemplarische Stücke aus Deutschland übersetzen und das Teatr w Wałbrzychu als Partner und die Stiftung für deutsch–polnische Zusammenarbeit als Sponsor gewinnen. Das Projekt sollte „Mit Feuergesicht heißen, in Anspielung auf einen Titel des deutschen Dramatikers Marius von Mayenburg. Ich war von der Idee sofort begeistert und wir tauschten über Monate hinweg Stücktitel, Ideen und Expertenwissen aus. Wir gewannen zusätzlich die weitere Unterstützung durch das Deutsch-Polnische Jugendwerk und fanden in der Dramaturgin Dorota Kowalkowska die notwendig interessierte Partnerin vor Ort. Somit stand unser aller Eifer für das Projekt nichts mehr im Wege. Vom 24.-28.10.14 fand dann die Begegnung statt.
Was bleibt nun? Zum einen die Erkenntnis, dass das Publikum weiter zu sein scheint als die Theater. Die Jugendlichen wissen sehr wohl etwas mit dieser auf und für sie zugeschnittenen Form des Theaters anzufangen. Sie warten darauf, sie warten auf ein Theater, das sich öffnet! Zum anderen müssen an den Theatern künstlerische und strukturelle Debatten um das Jugendtheater geführt werden. Und die Kulturpolitik muss mit ins Boot. Sie muss Bedingungen schaffen, dass sich z.B. theaterpädagogische Aktivitäten an den Häusern stetig ausbauen könne. Erste Beispiele machen Mut.
Die Veranstaltung „Mit Feuergesicht“ hat nach meiner Einschätzung ein neues Kapitel in dem deutsch-polnischen Theateraustausch für junge Menschen aufgeschlagen. Beide Seiten sollten die Gelegenheit zum grenzüberschreitenden Dialog und zur Zusammenarbeit ergreifen.“
Henning Fangauf ist seit 1989 im Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland tätig, seit 1997 als Stellvertretender Leiter. Er engagiert sich für die Autorenförderung und den Internationalen Austausch im deutschen Kinder- und Jugendtheater und ist u.a. Mitglied im Theaterbeirat des Goethe Instituts.