Während das 24. Internationale Theaterfestival für junges Publikum Rhein-Main „Starke Stücke“ in diesen Tagen in die Schlussgerade geht wurde gestern Abend im Kaisersaal des Frankfurter Römers der Kinder- und Jugendtheaterpreis „Karfunkel 2018“ an zwei freie Frankfurter Theater verliehen, die sich um das Theater für junges Publikum verdient gemacht haben.
Das künstlerische Wirken von TheaterGrueneSosse und textXTND ist eng mit den Freien Theaterhaus verknüpft und damit einem Protagonisten im Ringen um ein städtisches Kinder- und Jugendtheater in Frankfurt eng verbunden. Dass die Juryvorsitzende und Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig, dieses Vorhaben in ihrer Rede noch einmal deutlich herausgestellt hat, haben die Besucher*innen im vollbesetzen Kaisersaal gern gehört und mit großem Beifall bedacht.
Als frenetisch wäre der Applaus zu bezeichnen, den die Preisverleihung bei den vielen Fans und Freunden der TheaterGrueneSosse-Familie ausgelöst hat. Willi Combecher, Siggi Herold und Detlef Köhler waren mit allen aktuellen Akteuren des Theaters nach vorn gekommen, um den Preis aus den Händen der Kulturdezernentin zu erhalten.
Zuvor hatte Thomas Lang, Vorsitzender des Kuratoriums des KJTZ in seiner Laudatio die künstlerische Arbeit des Theaters gewürdigt. Hier ein Auszug aus seiner Rede:
„Ausgezeichnet werden heute so zwei aktuelle Inszenierungen dieses Theaters, nämlich die des dänischen Kinderstücks „Als wir verschwanden“ und das Projekt des Theaterclubs „Zertrennt“. Denn mit diesen zwei – intelligent miteinander vernetzten – künstlerischen Ergebnissen wird so die Spannweite der zeitgemäßen theatralen Praxis für ein junges Publikum vermessen und abgebildet. Beide Arbeiten suchen aus ganz verschiedenen Sichtweisen die Nöte der Erwachsenen wie die der betroffenen Kinder bei Trennungen und Scheidungen zu greifen und zu empfinden und verweisen darüber hinaus auf ganz heutige Fragen zu Verlusten von Zusammenhalt.
An der Inszenierung „Als wir uns trennten“ sind szenische Strategien der Grünen Soße unmittelbar sichtbar: Respektvoll nähern sich Text und Regie dem ganz Alltäglichen, beobachten mehr, beschreiben, nutzen geschickt Fragmentierungen und ermöglichen so Nähe wie Distanz zum Geschehen. Weitab herkömmlicher Rollenbiografien beleuchten sie den Kosmos der an so einem Konflikt Beteiligten, schaffen Komplexitätsgewinne und variantenreiche Perspektivwechsel. Aus dem raffinierten Zusammenspiel von lässiger Choreografie, ästhetisierten Alltagsbewegungen und visuellen Raffinessen entstehen berührende poetische Momente. Mehr mit Klängen und Atmosphären wird die Geschichte und werden deren Konflikte vorangetrieben, lassen Gedanken sichtbar werden. Mit Recht werden dieser Arbeit von der lokalen Presse: „feine Distanznahme und verlässliches Feingefühl“ attestiert, und eine „Leichtigkeit, die nicht in Oberflächlichkeit mündet“.
Dieser Inszenierung gelingt es, Theater für ein junges Publikum nicht zu reduzieren auf die immer wieder inflationär eingeforderte Bedeutung des Poetischen an sich oder auf die Selbstverständlichkeiten des sozialen Miteinanders mit diesem gut gemeinten pädagogischen Impetus. Hier ist Theater Ereignis, überraschend und uns ergreifend und auch schmerzhaft, jenseits des Selbstverständlichen.
Wir wissen nach dem Besuch dieser Inszenierung nicht besser, wie umzugehen mit dem, was man so Trennung nennt. Wir wissen danach allerdings, dass die Welt wohl komplizierter ist, als sie uns vorher schien. Eine der ehrenhafteren Aufgaben des Theaters. „Das Betrachten so lange aushalten, das Meinen so lange aufschieben, bis sich die Schwerkraft eines Lebensgefühls ergibt“, rät Peter Handke.“