Auswahllisten zum Deutschen Kindertheaterpreis 2022 und Deutschen Jugendtheaterpreis 2022: Teil 2

Thomas Stumpp
Foto: Loredana La Rocca

Heute setzt der Juror Thomas Stumpp, Mitarbeiter im Bereich Theater und Tanz des Goethe-Instituts in München, die gestern begonnene Vorstellung von Stücken aus den Auswahllisten zum Deutschen Kindertheaterpreis 2022 und zum Deutschen Jugendtheaterpreis 2022 fort und schreibt hier zu vier weiteren Texten von Jörg Menke-Peitzmeyer, Andri Beyeler, Atina Tabé und David Paquet.

Sparwasser (10+)
von Jörg Menke-Peitzmeyer (Deutschland)
Felix Bloch Erben Verlag für Bühne Film und Funk, Berlin

Jürgen Sparwasser ist der Torschütze des einzigen Tores, das im einzigen Fußballspiel, das zwischen den Nationalmannschaften der beiden deutschen Staaten je ausgetragen worden ist, geschossen wurde; es war während der Fußball-WM 1974. Der Junge Matse lebt in Westdeutschland. Nachdem er dieses Spiel im Fernsehen verfolgt hat, wird er zum Fan des Torschützen Jürgen Sparwasser. Allen Anfeindungen und Widerständen zum Trotz verfolgt er seinen Plan, ein Autogramm von ihm zu bekommen, was ihm schließlich tatsächlich über Umwege gelingt. Aufgrund der politischen Unwissenheit des Zehnjährigen, haben die erwachsenen Figuren ihm immer wieder die historischen Hintergründe zu erklären, was zusammen mit den Erlebnissen des Protagonisten dem jungen Publikum die deutsch-deutsche Geschichte aus dieser Zeit vor Augen führt. Ein Drama, das auf der Folie kindlicher Fußballbegeisterung über die Zeit der deutschen Teilung erzählt.

Spring doch (6+)
von Andri Beyeler (Schweiz)
aus dem Schweizerdeutschen von Ursula Gessat
Theaterstückverlag Korn-Wimmer, München

Lena ist eine von denen, die am Ende übrigbleibt, wenn im Sportunterricht Mannschaften gewählt werden. Diese ständige Zurücksetzung führt zur Überlegung: „Ich möchte einfach irgendwas können, was sonst niemand kann.“ So kommt sie auf die Idee, im Freibad vom Dreimeter-Brett zu springen. Nach der Ankündigung dieser Tat stiehlt sie sich von zuhause fort und steht am Ende tatsächlich vor aller Augen auf dem Dreimeter-Brett. Die gesamte Entwicklung von der Überlegung bis zur Ausführung ihrer Idee wird von drei neutralen Erzähler*innen und den mal mehr, mal weniger an der Sache beteiligten Personen, wie der Nachbarin, der Busfahrerin, einem Fahrgast oder dem Vater und anderen erzählt. Ein Stück, das mosaikartig aus vielen Perspektiven von der verletzten Seele eines Mädchens erzählt, das sich selber auf den Weg macht, die eigene Verletzung zu überwinden.

Ferferi فرفری
Vom Ankommen und Fernbleiben (14+)
von Atina Tabé (Schweiz)
Rechte bei der Autorin

Ferferi hat sich nach ihrer Flucht aus dem Iran in ihrer neuen Heimat in der Schweiz, eine Existenz als Bäckerin aufgebaut. Das Stück erzählt kleine Geschichten und Begebenheiten über die Freuden und Leiden integrationswilliger Geflüchteter in einem neuen Land, in dem sie sowohl Willkommmenskultur, als auch Ablehnung erfahren. Andere Regeln und ungewohnte Bürokratie dieser anderen Gesellschaft schaffen Hürden, wie zum Beispiel die Vorschrift, dass man ohne Geburtsurkunde keinen Führerschein machen darf. Ihr Heimweh überwindet die Protagonistin durch die Lieder und Geschichten aus ihrer Kindheit, die sie mit ihrem neuen Leben verbindet. „Ferferi“ ist ein performatives Solostück, über das gleichzeitige Ankommen und Fernbleiben in einem neuen Leben.

Das Gewicht der Ameisen (12+)
(Le poids des fourmis)
von David Paquet (Kanada)
Deutsch von Frank Weigand
Felix Bloch Erben Verlag für Bühne Film und Funk, Berlin

Jeanne ist eine Schülerin, die sich gegen gesellschaftliche Entgleisungen, die sie in ihrem Umfeld, insbesondere in der Schule, wahrzunehmen glaubt, auflehnt und Olivier ist ein empathischer, schüchterner Junge, der sich Gedanken macht über die Nöte in der Welt. Beide werden von ihrem vom Leben frustrierten Schuldirektor dazu gedrängt, für die Schülersprecherwahl zu kandidieren, um Einfluss zu gewinnen. Die Intentionen dieser drei Protagonist*innen scheitern jedoch an der stumpfen Borniertheit der Mitschüler*innen, die lieber dem Versprechen von „Pizza für alle“ ihre Stimme geben. Doch ungeachtet allen Scheiterns erkennen sie, dass so wie alle Ameisen auf der Welt zusammengerechnet schwerer sind als alle Menschen, auch kleine oder unscheinbare gute Taten durch ihre Quantität Gewicht bekommen. Eine satirische Komödie, die ermutigt, die Welt, auch ohne einflussreich zu sein, durch Miteinander und Menschlichkeit zu verändern.

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