Gestalter, Grenzgänger und Gastgeber

ein Nachruf auf Hubertus Fehrenbacher von Wolfgang Schneider

Theaterkunst lebt von Persönlichkeiten; und selbstverständlich auch von Geschichten, von der Dramaturgie, von Musik, vom Bühnenbild und von Kostümen. Aber die entscheidende Frage für den Zuschauenden ist doch die: Wer erzählt mir was, und wie? Einer der das Erzählen konnte, war Hubertus Fehrenbacher, Ende Oktober im 68. Lebensjahr gestorben. Er war Merlin im „Parzival“, Cäsar in „Jugend ohne Gott“ und Ahab in „Moby Dick“, er konnte aber auch eine Amsel, ein Flusspferd und ein Kaninchen, und er inszenierte sich als Dirk, der Zwerg, in „Dirk, der Zwerg“.

Als Narr in Friedrich Karl Waechters „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ hatte er eine seiner beiden Paraderollen gefunden. Gewitzt und geschwätzig führt er vor und durch die Handlung und das wunderbare Ensemble über das Spielfeld, das von allen Seiten durch das Publikum einsehbar ist. Was Mimik sein kann, ohne Klamauk, was geringste Mittel an großer Aufmerksamkeit möglich machen, was ohne Worte alles darzustellen ist, das zeigte Hubertus Fehrenbacher als Hund mehr als 500-mal in „Die Geschichte vom Onkelchen“ nach einem schwedischen Kinderbuch und einer Fassung mit einem klassischen Quartett: Einsamkeit wird existentiell erlebbar, Freundschaft allerliebst zelebriert, als Augen- und Ohrenschmaus.

Er war aber auch „die Seele des Freiburger Kinder- und Jugendtheaters“, wie es die Badische Zeitung in ihrem Nachruf formulierte. Hubertus Fehrenbacher hat es mitbegründet, er war der Streiter für eine eigene Spielstätte im Jugendstil-Marienbad und ihm gelang die Institutionalisierung der Freien Gruppe zu einem Theaterhaus mit städtischem Zuschuss. Überhaupt konnte er nicht nur Schauspielern und hatte auch das Musizieren drauf, aber er kannte sich auch auf der Klaviatur der Kulturpolitik aus. So sah man ihn als sachkundigen Bürger im Kulturausschuss der Stadt Freiburg, beim Landesverband des Deutschen Bühnenvereins als Vertreter der Kinder- und Jugendtheater oder beim Arbeitskreis der ASSITEJ in Baden-Württemberg; ich durfte ihn als Initiator, Berater, Beiträger, Kurator und Juroren auf vielen Festivals erleben, vor allem als großartigen Gastgeber, unter anderem bei der „Spurensuche“, beim „Internationalen Regie-Seminar“ oder bei den hauseigenen Werkschauen.

Hubertus Fehrenbacher war ein Gestalter und ein Grenzgänger. Nach dem frühen Tod von Dieter Kümmel, der das Theater als Regisseur geprägt hatte, übernahm er die Leitung. Er war einer, der das Gesamtkunstwerk Theater lebte, denn er war als Künstler auch ein Kümmerer, für die, die sich mit ihm als Kollektiv verstanden, für jene Zielgruppen, denen er mittels Theater etwas zu erzählen hatte, und für alle, die sich um die Förderung des Theaters für ein junges Publikum engagierten. Als Netzwerker könnte man ihn bezeichnen, der was zu sagen hatte, aber auch zuhören konnte, der wusste was er will, aber auch immer wieder zweifelte und deshalb sein Wissen lebenslang immer wieder auffrischen wollte.

Die ASSITEJ Deutschland verliert einen populären Protagonisten auf und hinter der Bühne, und wir alle dürfen uns gerne an ihn als einen kompetenten Kämpfer für das Kinder- und Jugendtheater sowie einen künstlerischen und kulturpolitischen Kopf der freien Darstellenden Künsten erinnern.

Professor Dr. Wolfgang Schneider war Gründungsdirektor des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in der Bundesrepublik Deutschland und ist Honorary President der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche sowie Ehrenmitglied der ASSITEJ Deutschland und der Schweiz.

Das Theater im Marienbad widmet die Vorstellung „Krabat“ am 10. Dezember 2022 Hubertus Fehrenbacher.

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