Bericht von der ASSITEJ-Werkstatt am Theater an der Parkaue in Berlin am 19. April 2023
von Raphaela Nowakowski
Nach über einem Jahr Vorbereitung ist es soweit: In Berlin-Lichtenberg scheint die Sonne und im Theater an der Parkaue treffen sich Kinder, Jugendliche und Fachpublikum um im Rahmen der ASSITEJ-Werkstatt gemeinsam die Möglichkeiten eines gleichberechtigten Miteinanders zu erforschen. Durch einen Perspektivwechsel werden konkret Erfahrungen, Haltungen und Handlungspraxis reflektiert, die eine (künstlerische) Zusammenarbeit zwischen jungen Menschen und Erwachsenen auf Augenhöhe ermöglichen. Für die Idee und Umsetzung der Werkstatt haben sich Juliane Barz (Sprecherin AK Ost), Katrin Maiwald (Vorstand ASSITEJ Deutschland) und Pauri Röwert (Theatervermittlung Theater an der Parkaue) zusammengeschlossen.
Durch das Tagesprogramm wird man moderativ vom Kinder- und Jugendbeirat des Theaters an der Parkaue geführt, der sich zusammen mit Pauri Röwert ein Warm-up überlegt hat: Es wird getanzt, die Themen und Fragen der drei Werkstätten werden schon mal angeteasert und im großen Rahmen locker diskutiert.
Der Beirat führt die Teilnehmenden auch an den Begriff ‚Adultismus‘ heran. Das kompliziert-klingende Wort bezieht sich auf die Vorurteile und Diskriminierung, die Erwachsene gegenüber Kindern und Jugendlichen ausüben. Ähnlich wie bei anderen -ismen (wie Rassismus oder Sexismus) werden bestimmte Gruppen aufgrund ihrer Merkmale – in diesem Fall Alter – abgewertet und benachteiligt. Adultismus zeigt sich oft in der Annahme, dass Erwachsene aufgrund ihres Alters und ihrer Erfahrung automatisch überlegen und fähiger sind als Kinder und Jugendliche. Dies kann dazu führen, dass die Bedürfnisse und Meinungen von jungen Menschen nicht angemessen berücksichtigt werden und sie ausgeschlossen oder diskriminiert werden. Nach einem bunten Beginn trennen sich die Teilnehmenden und es geht in den Workshops weiter. Die Kinder und Jugendlichen dürfen sich mit der*m Theatermacher*in Thalia Schoeller über eigene Erfahrungen mit Adultismus austauschen und auskotzen. Ob im Theater, in der Schule oder zuhause – alle wurden schon mal mit Vorurteilen und Ungerechtigkeiten konfrontiert. Der Raum ist hell und farbenfroh. Es wird improvisiert, geredet, gespielt und sich mal ausgeruht. Hier können die jungen Menschen ihrem Ärger über die erlebte Willkür und die Sprüche, die sie sich anhören müssen, Ausdruck verleihen. Ganz oben in der langen Liste an fiesen adultistischen Floskeln: „Du bist zu jung, das verstehst du einfach nicht“ oder „Wenn der Kuchen redet, sind die Krümel leise“. Die Teilnehmenden sind sich einig, dass sie alles verstehen können, wenn man es nur richtig erklärt.
Bei den Erwachsenen wird unter Anleitung von der Pädagogin Anne-Sophie Winkelmann das Machtverhältnis Erwachsene*r-Kind in der eigenen Praxis reflektiert. Das Fachpublikum setzt sich konkret mit der eingeschränkten Mitbestimmung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am Theater auseinander. Es werden Partizipationsideen gesammelt und diskutiert, aber dann die Frage gestellt: Sind die Räume, in die wir die jungen Menschen einladen wollen, überhaupt Safe Spaces? Wenn nicht, wie schaffen wir einen sicheren Raum für die künstlerische Zusammenarbeit von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen? Es entsteht die Idee für einen ‚Erste-Hilfe-Kurs‘. Das soll ein verpflichtendes Seminar sein für alle, die mit jungen Leuten zusammenarbeiten. Darin sollen die Erwachsenen über Adultismus aufgeklärt werden, sowie Mechanismen erlernen, die eine gleichberechtigte Zusammenarbeit ermöglichen.
An der Parkaue treffen sich alle Teilnehmer*innen nach einer langen Arbeitsphasen mit mittäglicher Unterbrechung wieder um sich kurz darauf erneut zu trennen: Es geht diesmal in altersmäßig gemischten Kleingruppen in den Park, um sich über die in den Werkstätten gewonnenen Erkenntnisse, Gedanken, Konzepte und Ideen auszutauschen und die Abschlussrunde vorzubereiten.
Zum Schluss werden die Ergebnisse des Tages im inzwischen regnerischen Berlin-Lichtenberg kreativ zusammengetragen. Die Kinder, Jugendlichen und das Fachpublikum zeigen in Standbildern, wie wichtig es ist, den jungen Stimmen Gehör und Raum zu verschaffen! In einem Punkt sind sich auch alle einig: das mit diesen blöden adultistischen Redewendungen muss aufhören. Denn ohne Kuchen keine Krümel und umgekehrt.
Raphaela Nowakowski engagiert sich im Theaterbeirat München und schrieb nach der Teilnahme an der ASSITEJ-Werkstatt diesen journalistischen Artikel.