KJTZ ist on Tour! Vergangenes Wochenende ging es zu den 26. Baden-Württembergischen Theatertagen nach Aalen, wo es u.a. Inszenierungen aus der Sparte Kinder- und Jugendtheater zu begutachten gab.
Es fiel auf, dass aktuelle politische Themen wie der Klimakampf, soziale Ungleichheit, politischer Aktionismus/Relativismus, der damit einhergehende Umgang mit Wut, Verzweiflung und (Ohn-)Macht großgeschrieben werden. Besucht habe ich die Inszenierungen Hinterm Wald, ausgezeichnet mit dem Projektstipendium des Jugendtheaterpreises Baden-Württemberg (Theater Eurodistrict BAden ALsace Offenburg), Und alles, Preisträger*in des Deutschen Kindertheaterpreis und des Baden-württembergischen Jugendtheaterpreis 2022 (Junges Theater Konstanz) und die Badematten Republik (JES Stuttgart). Zwar sind alle Inszenierungen von ihrer Machart, künstlerischen Ästhetik und Ansprache unterschiedlich gestaltet worden, dennoch ist meiner Meinung nach ein gemeinsamer Nenner erkennbar: Deine Stimme ist wertvoll. Sei laut, steh auf und setze dich für deine Grundrechte und die Rechte Anderer ein. Denn wenn wir leise sind, verstummen unsere Stimmen letztendlich ganz.
Nicht zufällig sind die Themen wie der Klimakampf, die wahrnehmbar zunehmende strukturelle Ungerechtigkeit, Krieg, Armut und Macht schon längst Themen, zu denen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland, aber auch auf globaler Ebene, eine Haltung beziehen und sich vernetzen. Dass diese Themen so zentral und zu Beginn des Festivals platziert wurden und auch im Programm des Arbeitskreistreffens Junges Theater Baden-Württemberg wiederzufinden sind, macht deutlich, dass Theater für junges Publikum sich den politischen Diskursen und gesellschaftlichen Schieflagen nicht (mehr) entziehen kann.
In Hinterm Wald nahm die Protagonistin Bezug auf die jüdische Legende der „36 Gerechten“, diese sagt, „das Schicksal der Welt ruhe auf 36 Gerechten (Hebräisch: Lamed-Waw Zaddikim). Sie sind allerdings unbekannt oder verborgen. […] Die talmudische Überlieferung kennt Meinungen, wonach es in jeder Generation 36 Gerechte auf der Welt gibt. Stirbt einer von ihnen, nimmt sofort ein anderer seine Stelle ein. Diese heiligen Personen sind verborgen. Niemand weiß, wer sie sind. Doch ihretwegen bewahrt G’tt die Welt, auch wenn der Rest der Menschheit noch so verkommen wäre – so die Tradition.“ (zitiert aus Jüdische Allgemeine 2016). Danach kann jede Person ein*eine Gerechte*r sein, ohne es selbst zu wissen. In Die Badematten Republik droht die Gefahr des Verlustes unserer Worte, wenn wir unsere Stimme nicht mehr nutzen. Auf einer komödiantischen Art und Weise werden wir daran erinnert, dass unsere Meinungen, insbesondere die Meinungen von Kindern zählen! Und in Und alles hält der Protagonist Ehsan, die Ungerechtigkeit auf der Welt nicht mehr aus und verschwindet. Die Zuschauer*innen tauchen in die Lebenswelt der jungen Menschen ein und erfahren, wie unterschiedlich die Protagonist*innen auf der Bühne mit schlechten Nachrichten, Ungerechtigkeit und der Willkürlichkeit der Erwachsenen umgehen. Die Autorin des Stückes Gwendoline Soublin hatte eigens Kinder und Jugendliche zu ihren Ängsten und Hoffnungen befragt, woraus das empowernde Stück entstand.
Hoffnungen, Utopien zu Teilhabe, aber auch Fragestellungen zu struktureller Diskriminierung und Inklusion waren u.a. Bestandteil des Workshops #5: Diversität und machtkritisches Arbeiten – Workshop in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum (KJTZ) und PERSPEKTIV:WECHSEL, einem Projekt der ASSITEJ. Begleitet habe ich ihn gemeinsam mit meiner Kollegin und der Projektleitung von PERSPEKTIV:WECHSEL Julia Kizhukandayil. Im Anschluss an die Filmvorstellung PERSPEKTIV:WECHSEL – Mehr Diversität. Mehr Inklusion. Mehr Kinder- und Jugendtheater diskutierten wir über die Good-Practices aus dem Film wie Inklusion und Teilhabe umgesetzt werden kann, aber auch über Herausforderungen und Hürden in der Praxis. Im Anschluss arbeiteten wir mit der Handreichung Diskriminierungskritische Perspektiven: Eine Handreichung für Theatermacher*innen – Vol. I Rassismuskritische Theaterpraxis zu einer machtkritischen Praxis im Theater für junges Publikum.
Mehr Tipps und praktische Inhalte findet ihr auf unserer Webseite.
Autorin: Gabriela Mayungu (KJTZ, Referentin für Diversitätsentwicklung)