Die Entscheidungen über die Auswahllisten zum Deutschen Kindertheaterpreis 2016 und zum Deutschen Jugendtheaterpreis 2016 sind bereits vor der Sommerpause gefallen. In den nächsten Tagen werden hier die fünf Juror*innen jeweils vier Texte aus den Longlists mit einem kurzen Text präsentieren. Den Anfang macht heute Lisa Zehetner, Dramaturgin für Kinder- und Jugendprojekte am Forum Freies Theater, Düsseldorf. Sie stellt Theatertexte von Tiago Rodriges, Nora Mansmann, Ad de Bont und Jörg Menke-Peitzmeyer vor, die auf den Auswahllisten zum Deutschen Kindertheaterpreis 2016 und zum Deutschen Jugendtheaterpreis 2016 vertreten sind.
»Traurig und fröhlich ist das Giraffenleben«
(Tristeza e Alegria na Vida das Girafas) (10+)
von Tiago Rodriges (Portugal)
Aus dem Portugiesischen von Henry Thorau
Verlag für Kindertheater, Hamburg
Das Ende einer Kindheit. Giraffe ist neun Jahre alt und begeistert von Worten, Bedeutungen, Geräuschen und dem permanenten Hinterfragen der Welt – und vor allem der erwachsenen Welt. Sie und ihr Teddybär Judy Garland beschließen, die alltägliche Tristesse aus Schule, Wohnen, Schlafen zu verlassen und eigene Abenteuer zu finden. Als die Quelle ihrer Inspiration und Welterklärung – der Discovery Channel – versiegt, weil der Vater die Gebühren nicht mehr bezahlen kann, ist ihre Mission klar: Wir besorgen das Geld! Auf ihrer Suche begegnen sie einer Erwachsenenwelt, die sie vorher noch nicht kannten. In einer abenteuerlichen Reise durch die Großstadt werden die Absurditäten und sozialen Missstände des Erwachsenlebens aus der Perspektive eines Kindes entlarvt, das sich auf dem Weg in die Jugend befindet.
»fuchs und freund« (6+)
von Nora Mansmann (Deutschland)
Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
Heute ist fuchs‘ erster Schultag. Kinder, die singen und lachen, Lehrerinnen, die Fragen stellen und Pausen, in den es ganz schön laut und wild zu geht – für fuchs ist das alles ungewohnt und zu viel. Wie, beispielsweise, soll er denn jetzt so schnell entscheiden, welches sein Lieblingstier ist und überhaupt, es gibt doch gar nicht genug Farben im Farbkasten, um die Tiere zu malen! Doch zum Glück hat fuchs ja noch freund, der nicht von seiner Seite weicht. Nora Mansmann erzählt die Geschichte von einem fantasievollen Jungen, der in der Schule wegen seiner Eigenarten und seiner Leidenschaft für skurrile Geschichten als komisch bezeichnet wird. Ein Plädoyer für die Freundschaft und die Möglichkeit, anders zu sein.
»Lügen« (Ibuka) (15+)
von Ad de Bont (Niederlande)
Deutsch von Barbara Buri
Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
Pio und sein Vater Leopord sind beste Freunde. Sie können über alles reden und vertrauen einander. Nur über die Vergangenheit vor Pios Geburt, als er, ein Hutu, noch in Ruanda lebte und über seine Flucht vor dem Genozid möchte Leopord nicht sprechen. Doch als Pio mit der ehemaligen Nachbarin von Leopord, einer Tutsi, ebenfalls aus Ruanda, ins Gespräch kommt, muss sich Leopord der Vergangenheit und seinen jahrelangen Lügen stellen. Ad de Bont schreibt ein beklemmendes Stück über den Genozid in Ruanda, und stellt Fragen nach der Verantwortung sich zu erinnern. Das Stück wandert zwischen Vergangenheit und Gegenwart und macht deutlich, dass die eine niemals von der anderen unabhängig sein kann.
»The Working Dead. Ein hartes Stück Arbeit«
Die komplette erste Staffel – Uncut (13+)
von Jörg Menke-Peitzmeyer (Deutschland)
Theaterverlag Hofmann-Paul, Berlin
Finn, Jenny und Thamara mit h sind jung, leben im Hier und Jetzt von Berlin-Oberschönweide und haben ihre ganz eigenen Träume: Finn will Sprengmeister werden, Jenny Frisörin und Thamara mit h Tänzerin. Doch es gibt keine Träume ohne Zukunftssorgen und die permanente Konfrontation mit der Vergangenheit. Als an ihrem geheimen Lieblingsort, einer leerstehenden Fabrikhalle in Oberschöneweide, ein Chor von Zombies auftaucht und pathetisch Erinnerungen an die proletarische Vergangenheit deklamiert, scheint alles aus den Fugen geraten. Auf der Grundlage gemeinsamer Recherche mit Jugendlichen aus dem postindustriellen Osten Berlins reflektiert Jörg Menke-Peitzmeyer die Veränderung des Arbeitsbegriffes und die Folgen des Industriesterbens. In Versform lässt er die Jugendlichen, ihre Eltern und Ahnen über das Leben in der Gegenwart und das ständige Festklammern am Vergangen diskutieren. Mit dem Chor der Zombies tritt die Vergangenheit musikalisch ins Heute.